VI
Vorwort zur neuen Ausgabe.
an krankhaft war. Nicht die Erkenntniss der Uebel in der Welt hat ihn dazu gemacht, sondern er hat die Uebel aufgesucht und geschildert, weil er Belege für seine lebensfeindliche Stimmung brauchte. Diese war schon bei dem Knaben vorhanden als schlimmes Erbtheil von väterlicher Seite, und die krankhafte Stimmung wies seinem Denken die Wege. Der Kunstausdruck Pessimismus ist wie andere Kunstausdrücke geeignet, irre zu führen und ganz verschiedene Dinge in Eins zu fassen. Schopenhauer selbst z. B. glaubt, sein Pessimismus und der des Christenthums seien gleicher Art, während es sich doch um grundverschiedene Dinge handelt. Der Christ verurtheilt„diese Welt“, weil sie sündhaft ist, aber er ist durchaus lebensfreundlich, er will ein besseres Leben, aber er will leben, ja ewig leben. Beim pathologischen Pessimismus aber ist das Erste ein Grausen vor dem Leben als solchem. Dieses Phänomen ist bisher nicht genügend beachtet worden. Es ist nicht dasselbe wie der Lebensüberdruss, das Taedium vitae, denn hier ist das Gefühl auf das Individuum beschränkt, der Mensch ist nur seines eigenen Lebens satt, und überdem besteht ein Drängen nach dem Tode, das zum Selbstmorde führt oder wenigstens ihn wünschen lässt. Dort jedoch erscheint nicht das eigene Leben als besonders schlimm, sondern das Leben überhaupt, und die Sache bleibt theoretisch, d. h. die Abwendung vom Leben führt nicht zu Selbstmordversuchen. Man könnte also den Zustand als theoretisches Taedium vitae bezeichnen. Begreiflicherweise können das theoretische