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Vorwort zur neuen Ausgabe.
und das practische Taedium vitae zusammentreffen, aber sie brauchen nicht zusammen zu sein. Das theoretische Taedium vitae zeigt sich hauptsächlich bei jungen Entarteten, und es thut auf das Deutlichste dar, dass im Kerne eines solchen Menschen der Wurm sitzt. Schon das, dass in der Jugend die Frage nach dem Werthe des Lebens gestellt wird, deutet auf Krankheit hin. Die grundlose Heiterkeit und naive Freude am Leben erfüllt so sehr jedes gesunde junge Wesen, dass man da, wo sie5fehlt, mit der grössten Bestimmtheit auf Kranksein schliessen kann. Dabei sind die äusseren Umstände ziemlich gleichgiltig, wenn nicht gerade Schmerzen und positive Noth bestehen. Man beobachte doch nur die Thiere. Durch die Reden von der seufzenden Creatur, von den melancholischen Thieraugen, von dem gleichgiltigen Ernste der Thiere, Reden, an denen sich auch Schopenhauer betheiligt hat, sind die Leute vielfach verwirrt worden. Wer aber seine Augen aufthut, die Thiere in der Nähe und lange genug beobachtet, der findet, dass sie(abgesehen von Krankheit und Quälerei) bis zum Beginne des Greisenalters immer. vergnügt sind, und ihm gewährt ihre unerschöpfliche Heiterkeit einen eigenthümlichen Trost. Nicht anders ist es mit wirklich gesunden Menschen. Wir vergessen das oft, weil uns von allen Seiten Krankheit und Unnatur umgiebt, es ist aber darum nicht weniger wahr. Leider ist das theoretische Taedium vitae bei unseren Zuständen häufiger, als man glaubt, denn bei vielen traurigen Kindern und Jünglingen wohnt es unerkannt, oft auch von dem