Vorwort zur neuen Ausgabe.
Betroffenen unerkannt. Das Leben wird als Last, nicht mehr als Lust empfunden, aber es ist vorerst nur eine dumpfe Noth. Ist der Mensch sehr begabt, so mögen einzelne Erfahrungen Erleuchtung zu bringen scheinen, wie es bei Buddha gewesen sein soll. Es zerreisst ein Schleier, das Auge sieht mit einem Male den Jammer des Lebens draussen, und die Theorie rechtfertigt das Gefühl. So ist es auch bei dem jungen Schopenhauer gegangen: er suchte nach Erklärungen für sein Wehgefühl, für seine Lebensangst, und er fand seinen Pessimismus. Thatsächlich ist dieser das älteste Stück seiner Philosophie, und er hat seine Gedanken nach den verschiedensten Richtungen hin bestimmt. Weil die Welt grauenhaft ist, musste das Ding an sich vernunftloser Wille sein, musste der Mensch in einen primären Willen und einen secundären Intellect zerrissen werden, und was des Widersinnes mehr ist. Zu der krankhaften Furcht vor dem Leben trat bei Schopenhauer sein ebenso krankhaftes Misstrauen, vermöge dessen er überall die übelsten Motive voraussetzte. Wären diese pathologischen Zustände nicht gewesen, er hätte als Mensch und als Philosoph nicht so einseitig sein können, so blind für Alles, das nicht grau und düster ist. Wie es in der Welt zu gehen pflegt, die Bestandtheile der Schopenhauerschen Lehre, die von der Krankhaftigkeit seiner Natur gefärbt sind, haben stärker gewirkt als das wahrhaft Gute dabei. Wo irgend Einer in ähnlicher Weise leidet, da zündet Schopenhauers„Pessimismus“, und auch da, wo die krankhafte Anlage verhältnissmässig schwach ist, reisst
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