doch immerhin etwas; wenn die warmblütigen Menschen über die kaltblütigen gar zu schroff urtheilen, so ist das auch nicht schön, denn jede Gattung hat in ihrer Weise recht und besitzt ihre eigenen Vorzüge. Liest man ihre Schilderung der Jugendzeit, so erscheint die Schriftstellerin wirklich als liebenswürdig. Nach einer unglücklichen Liebesgeschichte, über die sie nur Andeutungen macht, heirathete sie als 19 jähriges Mädchen den fast 20 Jahre älteren unschönen Heinrich Schopenhauer ohne Neigung. Sie kam durch diese Verbindung in glänzende Verhältnisse und fand die günstigsten Bedingungen zur Ausbildung ihrer geistigen Fähigkeiten. Ich glaube nicht, dass die relative Atrophie des Gemüthes von den äußeren Umständen abhänge. Hätte sie die Anlage dazu gehabt, so würde sie trotz des Mangels an Liebe in der Ehe ihr Herz an ihren Sohn gehängt haben, wie es Goethes Mutter gethan hat. Dass Johanna auch ihrem Sohne von vornherein mehr eine verständige und pflichtmässige Neigung als die rechte überschwängliche Mutterliebe entgegenbrachte, das zeigt eben, dass bei ihr ein angeborener Defect vorlag. Aber das Aeussere wirkte sozusagen im Sinne dieses Defectes. Die Beschaffenheit ihres Mannes, die langen und weiten Reisen mit ihm, das damit zusammenhängende Fehlen der Häuslichkeit, der Verkehr mit ausgezeichneten, mit zum Theil berühmten Männern, alles war geeignet, sie mehr und mehr intellectuell zu machen. Das gilt in noch höherem Grade von den späteren Verhältnissen in Weimar. Die dortige ästhetische Sphäre hatte zweifellos etwas Gemüth-Vertrock
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