Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
141
Einzelbild herunterladen

Ueber das erste Buch.

verdorben hat, dass die Philosophie Kants ein anderes Gesicht haben würde, wäre Kant nicht über die Er­fahrung sozusagen weggesprungen. Für Kant war die Philosophie eine Wissenschaft aus Begriffen, und ihm verdiente die Metaphysik nur dann ihren Namen, wenn ihre Sätze apodiktische Urtheile waren. Deshalb ist er ein Scholastiker. Schopenhauer aber, dessen Metaphysik eine Auslegung der Erfahrung sein sollte, hätte mit aller Kraft der Kantischen Missachtung der Erfahrung, der einseitigen Hinwendung zu dem a priori und dem Todtschweigen des a posteriori entgegen­treten sollen. Statt dessen täuschte er sich offenbar über die Schwere des Irrthums Kants, ja er nahm an seinen Folgen Theil und wurde selbst zu einer Art von Scholastiker. Soviel wie ich weiss, sagt Kant nirgends, was eigentlich das von aussen Gegebene sei. Man kommt aber auf den Gedanken, er müsse darunter die sinnlichen Empfindungen verstanden haben, also die secundären Eigenschaften Lockes, sodass im Grunde bei Kant Lockes Auffassung gerade umge­kehrt wird, dass das, was bei diesem dem Subject zukam, bei jenemvon aussen gegeben ist, die pri­mären Eigenschaften der Dinge aber die Zuthaten des Intellects zu dem Stoffe der Erfahrung werden. Schopen­hauer wenigstens hat die Sache so aufgefasst, wie aus einer Darlegung in den Parerga hervorgeht. Er sagt daselbst, Kant habe nie eine strenge Ableitung des Dinges an sich gegeben, er habe sich aber zu seiner Voraussetzung für berechtigt gehalten, weil keines­wegs das ganze Wesen der Erscheinung a priori be­