Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
186
Einzelbild herunterladen

Bemerkungen über Schopenhauers Lehre.

den seelischen Vorgängen zu machen. Niemals aber wird man eine blosse Abstraction, wie Schopenhauers Willen, als immer wiederkehrendes Element bezeichnen dürfen, denn soviel ist sicher, dass wir in uns nie ein Wollen an sich finden, daher gar kein Recht haben, es anderswo zu suchen.

Vielleicht ist noch folgende Betrachtung gestattet. Das Verhältniss zwischen Wille und Vorstellung kann keinesfalls so gedacht werden, als wären beide zwei mehr oder weniger verschiedene Attribute einer Sub­stanz. Vielmehr ist die Vorstellung nur als Modifi­cation des Willens zu denken. Wir dürfen doch nur von der Erfahrung ausgehen. Wir finden das Indi­viduum als ein centrirtes Wollen, wenn man sich so ausdrücken darf, mit bestimmter Reaktion, d. h. mit Gesetzen, die theils für jedes Wollen gelten, theils be­stimmten Individuen oder Klassen von Individuen eigen sind und dann als Individual- oder als Art­Charakter bezeichnet werden. Die Gesetze, nach denen jeder Wille verfährt, sind offenbar dieselben, die das Denken beherrschen, die logischen Regeln. Versucht man, auf das Einfachste zurückzugehen, so kann man vielleicht als Grundgesetz das aufstellen: das Gleiche wird bejaht, das Ungleiche wird verneint, Will man damit, dass der Wille unter allen Umständen geseizmässig verfährt, dass die Gesetze, die unser Denken regeln, jedes Wollen beherrschen, dem Willen die Vorstellung vermählen, so sehe ich nicht ein, wie das auszuführen sei. Vernunft ist freilich im Willen von vornherein, aber Vernunft ist doch nicht Vor­