Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
197
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Ueber das zweite Buch.

jeder von uns Einer ist. So wie in uns Einheit und Vielheit zusammen bestehen, so müssen sie auch in der Welt gegeben sein. Nur zwei Beispiele haben wir: das Ich im Verhältnisse zu dem untergeordneten Mannigfaltigen und das Ich eingeordnet in das Mannig­faltige der Erde. Hier lernen wir den Aufbau der Welt kennen und erblicken das Wunder aller Wunder, d. h. die Vereinigung von Individuen zu einem Individuum. Ein einheitliches Bewusstsein ist geknüpft an eine Mehrheit mehr oder weniger selbständiger Wesen, deren jedes wahrscheinlich Träger eines eigenen Be­wusstseins ist, ohne dass doch dieses an dem über­greifenden, übergeordneten Bewusstsein theilnähme. Das gilt wahrscheinlich in gleicher Weise vom Men­schen wie von der Erde, und wahrscheinlich ist diese Structur der Willenswelt überhaupt eigen. Wir fin­den in uns alles auf das Ich als Centrum bezogen, wir bezweifeln auch nicht, dass wir unseren Organis­mus beherrschen, und dass er dem Ich getreulich dient, jedoch sitzt das Ich nicht wie ein Einsiedler in seiner Hütte, sondern wie ein König auf dem Throne, dem seine Unterthanen zwar gehorchen und nach ihren Kräften dienen, der aber doch nicht eins mit ihnen ist. Jeder weiss, dass er und alle Organismen aus Zellen, d. h. aus Organismen, bestehen. Dass diese ein inneres Leben haben, für das das Reflexschema gilt, das wird bei näherer Ueberlegung kein Denken­der leugnen können. Denn wenn er seinen Mit­menschen und den Thieren eine Seele zugesteht, so muss er sie füglich allen Thieren zugestehen, da nicht