Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
209
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Ueber das dritte Buch.

interessant ist. Eine weitere Begriffsverschiebung ist folgende. Die ästhetische Art soll von der wissen­schaftlichen unterschieden werden. Die Wissenschaft betrachtet die Beziehungen der Dinge zu einander, das darf die Kunst nicht, sie betrachtet die Dinge abgesehen von allen Beziehungen. Früher hatte die Morphologie die Ideen gepachtet, sie erkannte die Idee des Faul­thieres u. s. w., jetzt ist die Wissenschaft zurKennt­niss der Relationen geworden, jetzt gehören die Ideen der Kunst allein, und es ist nicht anständig für eine Idee, Relationen zu haben. So hat die Sache keinen Sinn, denn ich möchte wohl wissen, ob der Dichter etwas anderes thue, als Beziehungen auffassen, und ob die Wissenschaft blos mit den Relationen des Faul­thieres auskommen könne. Was Schopenhauer sagen will, ist wohl das, dass das Schöne gefällt ohne Re­flexion. Um aber die reflectirende Betrachtung, sei es die der Wissenschaft oder die des gewöhnlichen Lebens, herabzusetzen und im Gegensatze zur Kunst als Willens­knechtschaft zu schildern, behauptet Schopenhauer, man werde nur dann willensfrei, wenn man aufhöre, die Relationen der Dinge zu betrachten,deren letztes Ziel immer die Relation zum eigenen Willen ist. Also bei der ästhetischen Anschauung, WOS sich thatsäch­lich um die Befriedigung eines mehr oder weniger sinnlichen Verlangens handelt, löst sich der Intellect völlig von seiner Wurzel, dem Willen ab, bei der Er­forschung der Wahrheit aber, wo in der That der Mensch sich selbst vergessen und ganz ohne Rück­sicht auf sein Wohl der Sache dienen kann, da ver­

Möbius, Werke IV. 14