Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
271
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Ueber das vierte Buch.

Urtheilen, zu hochmüthigem Absprechen. So ist es gekommen, dass wir kaum einen seiner Lehrsätze übernehmen können, wie er ist, und doch fast in jedem ein Kern von Wahrheit steckt.

Seine Zeitgenossen haben ihn nicht erkannt, aber seine Zeit ist gekommen. Nicht, wie er es dachte, denn sein System ist in Trümmer gegangen, jedoch in dem Sinne, dass seine Gedanken eine Macht ge­worden sind, dass von ihm ein Strom des Geistes ausgegangen ist, der sich theils nur anregend, auf­regend, theils befruchtend weithin ausgebreitet hat. Non scholae, sed vitae docuit. Weit über die Schulen hinaus hat er gewirkt, fast Niemand hat sich seinem Einflusse entziehen können. Wie ein Sturmwind ist er dahingefahren, manches Dach abdeckend und manche baufällige Hütte ganz verdrehend, aber in der Haupt­sache erfrischend und reinigend. Durch ihn ist die Philosophie wieder eine lebendige Kraft geworden, im Guten und im Bösen. Der einflussreichste Philosoph der neuen Zeit, E. v. Hartmann, ist von ihm ausge­gangen, die eigentlichmodernen Schriftsteller und Künstler sind zum grossen Theile durch seine Schule gegangen, z. B. R. Wagner, Nietzsche, Tolstoi, und in der sogenannten schönen Literatur trifft man überall auf Gedanken Schopenhauers, mögen sie verstanden oder missverstanden sein. Es ist allerdings richtig, dass ein Theil des Erfolges der glänzenden Darstellung und den geistreichen Gedanken über vielerlei Gegen­stände zuzuschreiben ist, aber mit der Zeit werden auch die philosophischen Wahrheiten Schopenhauers