Teil eines Werkes 
Bd. 4 (1904) Schopenhauer
Entstehung
Seite
274
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Anhang.

physiologische und eine physikalische. Wirft man die drei durcheinander, so muss auch das redlichste Be­streben in die Irre führen. Das sieht man an Goethe. Weil er rasch zu Versuchen überging, es unterliess, sich über den Sinn der Worte Klarheit zu verschaffen, misslang ihm das Werk seines Lebens, dem er die grösste Mühe gewidmet hatte, und erntete er bei der ihn missverstehenden Welt auch für das Gute seiner Arbeit keinen Dank. Es gab zu Goethes Zeit keine psychologische Farbenlehre, wenn auch schon Des­cartes, Locke u. a. die Subjektivität der Farben an­erkannt hatten. Der naive Realismus griff(und greift) ohne weiteres nach der physikalischen Farbenlehre, und die Anhänger Newtons, gegen die sich Goethe wandte, waren durchaus naive Realisten. Zwar war zu Goethes Zeit Kant schon aufgetreten, aber ein­mal hatte er die Sinnesempfindungen sozusagen über­sprungen, zum andern war Goethe in seiner Ab­neigung gegen begriffliche Erörterungen nicht geeignet, Kants Anregungen zu benutzen. Und doch fühlte Goethe das Richtige. Das Schicksal führte ihm Schopenhauer als Schüler zu, und dieser hat, zu­gleich auf Goethe und auf Kant fussend, die erste psychologische Farbenlehre geschaffen. Seit 1815 sind 88 Jahre vergangen, und doch steht Schopenhauers Bau noch aufrecht. Freilich meine ich nicht, dass man ihm verbotenus folgen könnte, seine Abhandlung so­zusagen mit Haut und Haaren billigen dürfte, aber im Wesentlichen hat er Recht.

Was heisst nun psychologische Farbenlehre? Die