Teil eines Werkes 
Bd. 3, Teil 1 (1921) Die Kunstdenkmäler des Kreises Prenzlau / unter der Schriftl. des Erich Blunck bearb. von Paul Eichholz ...
Entstehung
Seite
148
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148; Prenzlau (Geſchichte).

1638 kommandierte hier Oberſtleutnant Piccolomini und ließ zur Verteidigung des Blindowſchen Tores auf dem Jakobikirchhof eine Schanze aufwerfen, wobei viele Leichen ausgegrabenund in der Schanze herumgeſtellt wurden. Am 2. September 1638 konnte kein Abendmahl mehr abgehalten werden, weil der Wein fehlte. Und von dem folgenden Fahr erzählt der Chronift Seckt:Wie bejammernswerth muß der Zuſtand unſerer guten Vorfaren damals geweſen ſeyn, da ſie genoͤtigt waren, ſich der Hunde, Katzen, umgefallener Pferde, Gras, Kohlſtruͤnke und dergl. zu ihrer Speiſe zu bedienen, aus Kleien, Kaff und Eich eln Brodt zu backen, und dieſe unnatuͤrlichen Speiſen mit Heringslaake zu ſalzen! Ja, ſogar, was entſetzlich zu Jagen iſt,[ich ſelbſt angefallen, ermordet und verzaͤhret! wovon in dem Anno 1666 in dem Marien⸗Turmknopf gelegten Dokument geſagt wird, daß ſich in des Buͤrgermeiſter Potzerns Buden wirklich ein ſolch er Fall zugetragen habe.

Kommiſſare, die der junge Kurfuͤrſt Friedrich Wilhelm 1613 abgeſandt hatte, ſtellten feſt, daß von 787 Feuerſtellen nur noch 107 bewohnt waren; 314 ſtanden ledig, die uͤbrigen waren ganz geſchleift. Vor dem Krieg hatten 60 Tuchmacher jaͤhrlich 1182 Tuͤcher angefertigt und vertrieben; jetzt fertigten ihrer 10 nur noch 21 Tücher; vordem wurden alljährlich 00 Ochſen, 3500 Hammel und 500 Kaͤlber geſchlachtet, jetzt nur noch 10 Ochſen, 8 Kälber und 25 Hammel! Die Zahl der Kommunikanten in der Marienkirche war von 4693 im Jahre 1625 ſchon im Verlauf von 11 Jahren auf 2097 geſunken. Endlich erſchien im Herbſt 1648 derlangerſehnte, guͤldene Friede, nachdem noch im Juni zuvor 600 ſchwediſche Reiter, vom Oberſtleutnant Klingſpahn kommandiert, die Stadt völlig ausgezehrt undalles Eiſenwerk von Angeln aus den Stadtmauern, den Wikhaͤuſern und wo ſie ſonſt antrafen, mit großen Schmiede­

haͤmmern ausgebrochen hatten.

Allmahliche Heilung der Kriegsſchäden durch die Landesherrſchaft.

Die Blüte der Stadt war geknickt. Ein tiefer Riß war entſtanden, denn keine einzige aͤltere Buͤrgerfamilie vermag ihre Überlieferung bis in die Zeit vor dem 30 jaͤhrigen Krieg zuruͤckzu verfolgen. Das Geſchlecht der Schievelbein, aus dem ſo mancher Buͤrger­meiſter der Stadt entſproſſen war und das ſich bis 1310, wie Suͤring erzählt, zuruͤckver= folgen ließ, war 1640 erloſchen. Doch in dieſer ſchweren Zeit zeigte ſich klar, welch guter Kern in der Buͤrgerſchaft ſteckte. Im Jahre 1665 ſchrieben der Rat und die 4 Gewerke der Tuchmacher, Baͤcker, Schuſter und Knochenhauer eine Kollekte aus zum Zweck des Wiederaufbaus der Turmſpitze der Marienkirche. Aus dem Wortlaut der Urkunde vom 1. Mai 1665 ſpricht berechtigter Buͤrg erſtolz, denn es heißt:Nachdem aber dieſe herrliche Struktur, dergleichen in den benachbarten Provinzen nicht leicht wird zu finden ſein, gantz bloß geſtanden, ſo wirdt dieſelbe nunmehr oben gantz bruchfellig und ſind die Klocken in großer Gefahr. Über ein Jahrhundert ſollte vergehen, bis die Wunden, die der Krieg geſchlagen, ſich wieder ſchloſſen. Freilich, aus eigener Kraft konnte die Stadt ſich nicht mehr aufrichten. Der Große Kurfuͤrſt mußte eingreifen. Mit Vertrauen blickten die Bürger zu ihm empor, denn er, der Sieger von Warſchau , hatte

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