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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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drückte und seine innere Behaglichkeit verstörte? Mit keinem anderen der großen Mathematiker, Philosophen, die er gesucht, denen er sich aufge­drängt hatte, war es ihm so ergangen. Bei keinem anderen hatte er so sehr das Gefühl, daß er sich aufdrängte wie bei Spinoza. Dabei mußte man diesen Spinoza nur ansehen, um zu wissen, wer er war, ein Heimatloser, ein Sterbender, ein tod­kranker Jude, dessen Geschlecht aus Spanien oder Portugal geflohen war; er hatte immer noch etwas Spanisch-dunkles zwischen den Zügen, diese Oli­venfarbe des Teints. Und eigentlich war er nicht einmal ein Jude mehr. Er war aus dem heimat­losen Volke gebannt und nun doppelt heimatlos. Der ohnmächtigste aller Menschen. Er lebte nur auf dem Floß, das er aus den Buchstaben seiner wenigen Schriften zusammengesetzt hatte, und trieb darauf über das unendliche Meer der Unge­wißheiten. Und blickte doch mit seinen großen traurigen Augen ganz gelassen und manchmal fast heiter drein. So sicher, daß einem nicht ganz wohl unter ‚diesen Augen bleiben konnte. Viel­leicht hatte man eben die Sicherheit, Gelassenheit und Heiterkeit, die aus seinen Augen sah, die gan­zen Jahre hindurch gesucht, vielleicht eben die Gewißheit der eigenen Ungewißheit. Vielleicht war mein ganzes bisheriges Leben, schoß es

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