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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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Augen am liebsten aus seinem Leben verbannt, mit dem großen Bann ausgetrieben hätte, um ganz und gar dem reinen Geiste der Erkenntnis zu leben, entbehrend wie Spinoza, heiter wie der Sterbende...

Während dieser stillen Sekunden hatten Spi­nozas Augen sich aufgeheitert. Er sah Leibniz an und freute sich des Anblicks. Er labte sich sogar an der prächtigen Kleidung, an der stolzen Haltung, am Geschmack und an den Formen des Deutschen, der sich in Paris gebildet hatte. Er wußte, daß an diesen Äußerlichkeiten nichts ge­legen war und freute sich gleichwohl an ihnen. Er wußte, daß es ein merkwürdiger, in den Augen anderer Menschen gewiß verrückter Ehrgeiz war, der Leibniz hergetrieben hatte, und obwohl er alle Eitelkeit in sich verachtete und betäubt hatte, widerstrebte er dennoch nicht dem Werben um ihn. Er wußte, daß er zuverlässigere und bestän­digere Freunde und Anhänger hatte, ja, selbst bessere und zuverlässigere Feinde, und trotzdem war er nun für diesen Leibniz eingenommen. Die anderen mochten gutwillig, treu, ja, hörig sein, dieser war ein Genie. Die anderen konnte man zur Vernunft oder zum Nachdenken bringen, aber mit diesem konnte man in-den Himmel vordrin­gen und Sterne stehlen. Spinoza hatte nie einen

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