Druckschrift 
Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
Entstehung
Seite
20
Einzelbild herunterladen

Schüler, nie einen wahren Schüler gehabt. Leibniz war vierzehn Jahre jünger als er, von einem Stre­ben ohnegleichen erfüllt und mit den faszinie­rendsten Anlagen ausgestattet, jung, strahlend, souverain gescheit. Vielleicht schon um ein We­niges zu gescheit, nicht für seinen Verstand, son­dern für sein Leben, für seinen Charakter zu ge­scheit. Die Politik hatte seinen Charakter über­zogen. Es war wie mit einem Rädchen, das auf­gezogen werden mußte, um eine bestimmte, gleichmäßige Geschwindigkeit einzuhalten, das aber, überdreht, jedes Gleichmaß verlor, wild ab­schnurrte und für einen Zeitmesser unbrauchbar war. War Leibniz unbrauchbar? Er hatte von seinen Jugendjahren erzählt, wie sein Licht ohne schwelenden, stickenden Rauch aufgegangen und entflammt war. Die Politik mit ihren widrigen Winden hatte es nur unruhig gemacht, und nun flackerte es, anstatt zu strahlen. Es fehlte nur ein wenig Stille, damit es leuchtete.

Man mußte sich einigen, was Politik ist, dachte Leibniz. Was verstand er darunter? Er bemerkte, daß das, was ihm Politik war, nicht verstanden, sondern nur getan werden konnte. Sobald man es in Worte faßte, verflüchtigte sich das Leben daraus, und abgestandene Machenschaften blieben übrig. Dabei hatte Politik einen lockenden Glanz,

20