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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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lichsten den Geist ermöglicht, ist die wahre Po­litik. Von solcher Politik aus, dachte Spinoza, ist das Leben ein Weg der Vernunft zum womöglich allgemeinen Glück hin. Und nun war er ent­schlossen, Leibniz für sich zu gewinnen.

Aber Leibniz redete wieder. Er war wieder auf Descartes zurückgekommen, von dem er angefan­gen hatte, er baute die cartesianischen Bewegungs­gesetze wie ein Kartenhaus mit schnellen, vorsich­tigen, geschickten Bewegungen vor sich auf, um es mit seinen Einwänden umzuwerfen. Um zu zeigen, daß er bei der Sache war, machte Spinoza eine Gegenbemerkung. Leibniz hörte sie unwillig zu Ende an. Seine diplomatische Politur bröckelte ab, er zeigte sich etwas eigensinnig und unduld­sam. Anstatt zu antworten, zog er ein Stück Pa­pier, das am anderen Ende des Tisches lag, zu sich herüber und begann fieberhaft Zahlen, Buch­staben, Worte aufzuschreiben. Spinoza war auf­gestanden; er stand bescheiden neben seinem glän­zenden jungen Gast. Nun las Leibniz seinen Ge­genbeweis vor. Seine Stimme war hoch und etwas laut. Er war in den heftigsten Eifer gekommen. Während er vorher das Gefühl gehabt hatte, viel älter als Spinoza zu sein, der nur eine Wahrheit für möglich hielt, während ihm, Leibniz, in einer dunkel ahnungshaften Vorstellung mehrere Mög­

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