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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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tiefste geholt. Man wagte später nicht mehr da­von zu sprechen. Die Stände traten zusammen und schwiegen. Oranien hatte nun alle Macht und schwieg. Endlich ging man daran, die Vorwürfe zu prüfen, wegen deren Jan de Witt ermordet worden war. Man stellte nur seine Ehrlichkeit und Sauberkeit fest, wie auch gegen seinen Bruder nicht das Geringste zu sagen blieb. Aber die Mör­der, die jeder kennt, sind bis heute nicht bestraft.

Sie kannten Jan de Witt gut?, fragte Leibniz. Es war fast nur eine Höflichkeit, daß er fragte, denn aus dem ganzen Eifer des Berichtes mußte er wissen, daß Spinoza dem Ratspensionär die tiefste Freundschaft bewahrte. Dem ermatteten und noch glühenden Spinoza tat die Frage wohl, und er erzählte seinem jungen Gast, was er sonst zu verschweigen pflegte.

Er sagte nun, daß ihn kein Erlebnis, weder der große Bann, mit dem er aus der Synagoge aus­gestoßen wurde, noch der Tod seiner Freunde noch die niedrigsten Angriffe auf seinen Traktat, so aufgewühlt hätte wie das Verbrechen an Jan de Witt. Der Tag neigte sich schon, als er es er­fuhr, und er, dessen Seelenruhe noch durch kein Ereignis hatte zerstört werden dürfen, schwankte nun und vergoß Tränen vor Scham, Zorn,

Schmerz. Ein Abgrund hatte sich vor ihm auf­

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