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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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getan, worin alles Menschentum unterzugehen drohte. Das Volk der Freiheit des Denkens und Glaubens hatte sich vom Ungeist, vom tierischen Untermenschentum besessen gezeigt, und er selbst mußte seinen Gefühlen Luft schaffen, und wenn es in einer ganz zwecklosen Tat geschah. In der Nacht hatte er mit riesigen Buchstaben:Niedrigste aller Barbaren! auf ein Plakat geschrieben und wollte es bei der Mordstelle an die Mauer schlagen, und wenn der Pöbel auch ihn dafür zerriß. Sein Hauswirt aber war gelassener und überlegter als er, und als er Spinoza von der Überflüssigkeit seines Mutes und von der Sinnlosigkeit seines Opfers zu überzeugen suchte und alle Worte ver­geblich waren, da schloß er die Haustür zu, und es blieb Spinoza nichts weiter übrig, als wieder in seine Kammer zu gehen und sich zu fassen.

Ehe Spinoza noch in seine Erinnerung zurück­sinken kann, erinnert ihn Leibniz an eine Stelle aus dem Theologisch-politischen Traktat und ge­steht, nun erst begreife er ganz die Aktualität der Schrift als der Kampf- und Staatsschrift der Rich­tung Jan de Witts. Im höchsten Sinne natürlich und bis ins Letzte der Idee vorgetrieben, fügt er hinzu und denkt an seine eigenen Staatsschriften, worin der mächtige Geist in das Joch kleiner, kleinstaatlicher, fürstlicher Teilinteressen gespannt

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