mitangesehen, aber er wurde sich nun bewußt, daß er abgelenkt war. Er stand auf und sah sich im Zimmer um. Es war das Zimmer eines Gelehrten, sauber, einfach, ohne Luxus und doch auch ohne Mangel. Ihm fielen die Phrasen ein, die man von Spinoza erzählte: der arme Glasschleifer, der sich vom Brillenmachen notdürftig ernährte. Nein, so konnte es nicht sein. Die Bücher im Schrank waren kostbar, viel zu kostbar für einen armen Brillenschleifer. Er war auch im Linsenschleifen kein gewöhnlicher Handwerker, und seine Linsen waren wohl so vorzüglich, daß er zur Not davon hätte leben können, Leibniz war in der Optik selbst erfahren genug, es zu beurteilen, aber Spi noza mußte nicht davon leben. Leibniz wußte, daß Spinoza von de Witt eine Rente bezog. Hatte nicht Tschirnhaus ihm noch erzählt, wie ihm nach dem Tode des Ratspensionärs die Erben die Rente verweigerten und wie Spinoza ihnen darauf auch die Urkunde auf den Tisch legte, um sich wortlos zu entfernen? Diese Wortlosigkeit hatte dann die Erben bestimmt, dem Philosophen auch weiterhin die Rente zu zahlen, so daß er mit anderen Einkünften immer hatte, was er bedurfte. Allerdings brauchte er wenig. Man sah, wie sehr er sich auf das Notwendigste beschränkte. Unwillkürlich blickte Leibniz an seinem eigenen, über
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