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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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Recht, den abtrünnigen Juden einen Atheisten und jeden Atheisten einen schlechten Kerl zu nennen, der nur sich selbst, seinem schranken­losen Egoismus fröhnte? Sogleich korrigierte sich Leibniz, man mußte noch die andere Stelle lesen, auf die hier zurückverwiesen wurde, die man wohl überschlagen hatte, es war ja wohl lächerlich, gerade diesem bescheidensten und stillsten aller Menschen den landläufigen Egoismus in die Schuhe zu schieben, aber gut ist, was mir nutzt? Die andere Stelle hieß:Unter gut werde ich daher im folgenden das verstehen, wovon wir sicher wissen, daß es ein Mittel ist, uns dem Mu­ster der menschlichen Natur, das wir uns auf­stellen, mehr und mehr zu nähern. Muster? Das Ebenbild Gottes? Muster der Güte und darum die Güte als Nutzen, weil der Nutzen die Güte wäre, oder wie? Nein, nicht streiten, nicht jetzt strei­ten! Leibniz versuchte weiterzulesen, aber ein vor­schneller, vorlauter Gedanke ließ sich nicht ab­

weisen: daß Spinoza hier sich entlarvt hätte. So­

gleich aber ärgerte sich Leibniz , daß er diesen Einfall bis ans Bewußtsein hatte herankommen lassen. Hatte er sich so nicht selbst entlarvt? War er nicht selber derEgoist? War es denn Spi­ noza , der im stetigen Bemühen, seinem Gott alles Menschliche, Irdische, Niedrige, Trübe abzuziehen,

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