Teil eines Werkes 
Abth. 1 (1862) Handschriften / von F. Lebrecht
Entstehung
Seite
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Handschrift weicht sehr stark vom gedruckten Texte ab und auf den 10 Blättern, 81-90, des Tr. n in unsern Ausgaben sind nicht weniger als 63 zum Theil sehr starke Varianten. Diese sind mitgetheilt in on ,, Hebräische Bibliographie" von Steinschneider , Beilage zu no. 12, woselbst Herr Ph. versichert, dass er mehr als 20 Blätter Varianten gesammelt habe, wovon zwei die 63 Varianten boten. Näheres über Herkunft und Charakter der Handschrift ist 1. c. nicht mitgetheilt.

Diese einzige mir bekannt gewordene Talmud - Handschrift im Privatbesitze trägt noch eine nebensächliche Bedeutsamkeit, welche die Aufmerksamkeit des Lesers freudig überraschen kann: Der Besitzer ist nicht bloss Mitglied der Karäer, sondern ein geistliches Oberhaupt derselben. Die Karäer aber waren von je her die Erbfeinde des Talmud, den sie mit allen ihnen zu Gebote stehenden Wissenschafts- Mitteln bekämpften. Aber die freimüthigen Forschungen der jüdischen Gelehrten neuester Zeit verwandelten das Gebiet des Talmud zu einem neutralen Boden, auf welchem sich auch Karäer ohne Abfall von ihren Traditionen bewegen durften, und es ist ein Triumph der erwachten Wissen­schaft, dass ein karäischer Gelehrter es ist, der seine Mittel und seinen Fleiss dem früher verhassten Talmud zuwendet.

§. 54.

Neuere Handschriften.

Handschriften, welche aus der Zeit nach dem Anfange des Talmud- Druckes datiren, sind desto weniger im Werthe zu schätzen, je mehr sie sich unserer jetzigen Zeit nähern. Bevor die Gesammt- Ausgabe in Venedig vollendet war( um 1530), wurden gewiss noch viele Handschriften, selbst von den Tractaten, welche schon von Soncino gedruckt waren, handschriftlich fort­gepflanzt, da diese Druckstücke sehr selten und ohne Zweifel theuer waren. Wir sehen dies unter andern bei der Turiner Handschrift( 1516), und wir sahen(§. 32), wie beim feierlichen Abendroth der hebräischen Abschreibezeit die frommen Beschützer des Judenthums in seinen Schriften, die Vervielfältigung dieser Schriften zum Gegenstande ihrer wohlthuenden Freigiebigkeit machten. Die aus jener Zeit hervorgegangenen Handschriften haben als solche den kritischen Vollwerth ihrer Besonderheit je nach dem Charakter ihrer Abstammung und der Sachkunde