Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
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seiner Art prächtigen Pastors, der den Menschen weniger durch sein geistliches Wort hilft als durch seine Fähigkeit, die realen Verhältnisse und Nöte klar zu durchschauen und wirksamen Rat zu geben. Er mag es, unwägbare Gefahren ahnend, nicht hören, wenn die Leute bewundernd sagen:Pastors Zwillinge ein Bild. Von früh an schwebt das Schwert über ihnen, und es fällt in dem Augenblick, in dem alle Gefahren überwunden und die Jungen, wie die alte Lena sagt,Kropper Busch vorbei zu sein scheinen. Meisterhaft der Aufbau der Erzählung: von der ersten Szene an, die in dem Bangen der Mutter um die todkranken Dreijährigen deren Schicksal vorahnen läßt, über die aquarell­haften und doch scharf konturierten Bilder aus der Jugend der Mutter, die zu den Quellen einer wunderbaren Bestimmung füh­ren, bis zu der Darstellung der Stunde, in der ein Kriegskamerad der Zwillinge den Eltern von ihrem gleichzeitigen Grippetod in einem Gefangenenlager berichtet. Das eigentümlich leucht­kräftige und zugleich beschattete Kolorit der Erzählung ergibt sich aus der Landschaft um Lübeck, die Stadt Dietrich Buxte­hudes und seiner Nachfolger, und aus der Zeit, in der sie spielt: den vier Jahrzehnten um 1900. Aber nicht dieses Kolorit macht den Zauber der Erzählung aus, sondern neben der wesentlichen Zeichnung des immerwiederkehrend Menschlichen in den Haupt­und überzeugend lebensvollen Nebengestalten das reine Durch­klungensein von einer Musik, aus der das Konzert Nr. 3 in d-moll von Johann Sebastian Bach, der Zwiegesang seliger Gei­ster, sich in höchst kunstvoll durchgeführter Weise als Leitmotiv von Unheil, Liebe und Gnade hervorhebt.

Zwischen demHeilsamen Umweg und demZwiegesang seliger Geister steht die NovelleDie schmale Brücke(1941), ursprünglich treffenderDer Schicksalswürdige betitelt. Drei dem Alter nach reife Menschen, der Rektor Peter Hansen, ein Mann der kräftigen inneren Ordnung, die sich auch in der Ge­fahr bewährt, seinJugendfeind von der Präparandenzeit her, Werner Hagemann, selbstgefällig schillernden, unfrucht­baren Wesens, und die Lehrerin Ursula Wüstenhagen treffen zu unausweichlichem Verhängnis aufeinander. In der kunstvollen Ver- und Entflechtung von Schein und Sein, von Natur und Un­natur, von bewußten und tiefer eingegebenen Motiven und in

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