WEIDE AM BAcH
Über den Bachrand neigt sich die Weide, versunken und freudig verstört,
da sie nach langem Winterleide
wieder dies Rauschen hört.
Wieder steigt aus dem Wiesengrunde ein heller Kiebitzschrei;
und fern ertönt am Kindermunde einfältig die Schalmei.
Schalmei, aus junger Weidenrinde gewunden, weiß einen Klang.
Wieder und wieder treibt er im Winde das Wiesental entlang.
Alte Weide, in Stummheit gefangen, horcht dem Ton der Schalmei, wünscht in ihrem lenzlichen Bangen den schweifenden Knaben herbei:
„Such doch in meinem Gesträuch und finde den schieren jungen Schaft;
wisse, es rieselt mir unter der Rinde
des neuen Frühlings Saft!
Leicht nun unter der kundigen Schneide löst sich die Rinde vom Holz.
Tu mir’s zuliebe, tu mir’s zuleide, kränke mich, mach mich stolz!
Winde die Rinde in klugen Spiralen spielend zum tönenden Rohr;
führ meine Seele aus Kerkerqualen der Stummheit ans Licht empor!
Alles findet in diesen Tagen
sein Lied, seinen Ruf, seinen Schrei. Lasse du mich meine Seligkeit sagen durch deine— durch meine Schalmei!“
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