Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
80
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MORGENDÄMMERUNG

Erbarmend nahm die Nacht mich ins Geleite, die große, schöne, milde Königin.

Ich wandelte gestillt an ihrer Seite

in selig-dunklen Knabenträumen hin.

Was schreist du, Tag? Was willst du mit dem rohen Gelärm von Pflicht? Was schmähest du mich Knecht? Niedriger Fronvogt! Im Geleit der Hohen

war mir der Dienst verliehen als ein Recht.

Schon malt der Morgen Wolken rote Ränder. Doch die Enteilende bannt das Geschick, solang die Schleppe ihrer Prunkgewänder nachwallend hinfließt unter meinem Blick.

Die jählings kühn gewordenen Lippen schmiegen sich an die Schleppe, die mir schon entglitt.

Du letzter Saum! So führe du verschwiegen

in deinem Rauschen mein Geheimnis mit.

Und während ich noch kniee in Entzücken, seh ich den Tag das marternde Geflecht

der Peitsche schon zu starkem Schlage zücken. Laß ab! Ich füge mich; ich bin ein Knecht.