ZwISCHEN NORD-OsSTSEE-KAnAL UND EIDER
Fern von den Höhen der Heide, im Dunste des Sommers verschwimmend,
sah einst der Knabe ein Schiff in das Rund eines Fernrohrs gebannt.
Also geschehen doch Wunder! Da liegt das Dorf ihm im Rücken,
und für die Wirklichkeit bürgt ragend die Weide am Teich.
Barfüßig lief er ins Freie, der Tag schien nicht anders als andre,
und wie vorm Wagen das Pferd gehen die Menschen im Joch,
beugen verdrossen wie Sklaven der herrischen Ernte den Rücken,
liegen mit Ketten am Dorf, ahnen kein Meer und kein Schiff.|
Stets sah der Knabe bis heute von Seefahrt und Schiffen nur Bilder,
Bilder, mit buntem Geleucht in seltsamen Büchern verstreut,;
die von der Freiheit der Erde, von Wonnen und Weiten erzählen,
die des Gebundenen Leid trösten mit freundlichem Trug.
Dort zieht ein Schiff in die Ferne. Nun ist alles andre auch
Wahrheit:
Es lebt das Riesengeschlecht und der Drachen bedrohliche Brut. Doch Zaubermäntel und-tränke, der Beistand listiger Zwerge, sichern dem Kämpfer den Kranz aus der Hand der holdseligen Fee._ Unvergeßliches Wunder! Dem Ungenügen der Enge d Fülle und Weite vermählt! So ward ein Ganzes die Welt.
Drängende Unruh des Aufbruchs und Lust an gestilltem Verweilen gibt mir die Heimat ins Herz mit immer gleicher Gewalt. d Drum ist sie lieb mir von jeher, die Niedrung der Eider, der Alten. Immer mit Ebbe und Flut teilt sie noch Unrast der See. 4 Frech hat der große Kanal mit der Selbstsucht tätiger Jugend nährende Bäche und Aun ihr von südlichen Hügeln gesperrt. Mäßige Höhen, die Schroffheit und zackige Sprünge vermeiden, werfen im grasigen Meer der Ebne wie Wellen sich auf. Hoch steht am sicheren Rande im Norden der rotbraune
Kirchturm, der zwischen Fluß und Kanal wachsam das Land überschaut. Fern am südlichen Hange wird wieder und wieder die Mühle für meinen schweifenden Blick stärkende Stätte der Rast.
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