Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1958) Gedichte
Entstehung
Seite
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IT.

Gedankenlos zuerst ließ ich im Wandern den Finger auf der runden Platte schleifen. Tag kam zu Tagen, Monde zu den andern, und Jahre wurden ohne mein Begreifen. Als mich im Glanzgranit ein duffer Streifen, bleibende Spur vergessnen Tuns, erfreute,

da stieß aus seinem tatenlosen Schweifen mein Wille zu und schlug sich seine Beute.

Die nährt ihn nun, nährt ihn mit einem kargen, verfaulten Fraß in Düsternis und Stille.

Wer könnte ihm den Ekel wohl verargen?

Doch hier ist keine Wahl. Friß, friß, mein Wille! Der duffe Streifen wurde schon zur Rille,

und tiefer gräbt mein Finger sein Geleise.

Spiel eines Tatenlosen? Eine Grille?

Der Todesernst des Wahnsinns zieht die Kreise.

Die hirnverrückte Hoffnung aber wittert

trotz allem einen Tag, da es den Reifen

am Rund des Steins verheißungsvoll durchzittert, da er nach letztem Schürfen, Schaben, Schleifen vom Tisch gelöst wird und im Sturz zersplittert. Und in den Glanz des Morgens aufgesprungen stehn Fenster, die das Schicksal mir vergittert. Dann hat mein Fleisch und Blut Granit bezwungen.

Halt ein! Steh still! Und laß dich nicht mehr narren, du, König Christian, namenlos betrogen!

Hier magst du deutend auf den Kreis hinstarren, den deine Finger in den Stein gezogen!

Hier, in Verzweiflung, sollst du ihn erharren,

den kühn ins Hoffen ausgeschwungnen Bogen.

Dort kehrt er knirschend heim. Laß du den Siechen in seines Ursprungs Dunkel sich verkriechen!

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