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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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Vorwort

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und die Aufklärung der Juden stets mit Interesse und Achtung betrachtet und gefördert hat.

Oppenheims Bild trifft trotz bürgerlicher Übermalung und historischer Kostümierung eine zentrale intellektuelle Konstellation in Mendelssohns Existenz. Sicherlich waren seine Zimmer im Haus in der Spandauer Straße nicht so groß und so wohlhabend eingerichtet wie im biedermeier- lichen Genrebild. Aber die Konstellation ist deutlich: Seine Konfrontation mit den Antipoden der zeitgenössischen nicht] üdischen Welt der deutschen Aufklärung, der eine den Juden gegenüber tolerant, der andere intolerant. Mit Lessing und Lavater sind die Extrempositionen der christ­lichen Welt gegenüber Mendelssohn und dem Projekt einer Aufklärung der Juden im Bild fixiert. Lessing steht für die volle Anerkennung und Gleichberechtigung, Lavater für bleibende christliche Intoleranz und Missionseifer, was im­mer ein Jude als Aufklärer, Mensch und Bürger leistet. Die Ambivalenz der christlichen Reaktion auf die jüdische Auf­klärung ist treffend ins Bild gesetzt, aber auch der doppelte Druck, der exemplarisch für die ganze jüdische Aufklärung auf Mendelssohn lastet: Anerkennung als Aufklärer zu ge­winnen und zugleich selbstbewußt Jude zu bleiben.

Selbst Fromets Darstellung durch Oppenheim birgt ei­nen historischen Kern, denn sie verkörpert die Verbürger­lichung der jüdischen Frau, die einerseits, gefördert durch ihren aufgeklärten Verlobten und Ehemann, bürgerliche Bildung erwirbt und an ihre Kinder weitervermittelt, an­dererseits gänzlich in die Sphäre der Häuslichkeit ver­bannt ist und aus dem Erwerbsleben ausscheidet, an dem jüdische Frauen vor dem Aufklärungszeitalter immer teil­genommen hatten und teilnehmen mußten. Und obwohl sie bürgerlich gebildet ist, Fremdsprachen gelernt hat und ausländische Romane zu lesen vermag, bleibt sie von Stu­dium und gelehrtem Disput über Wissenschaft und Reli­gion ausgeschlossen.

Aber Oppenheims Ölgemälde erzählt vieles auch nicht. Es verschweigt aus der biedermeierlichen Perspektive der