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Vorwort
gelungenen deutsch-jüdischen Akkulturation und des Erfolgs der jüdischen Aufklärung, daß in Mendelssohns Haus viel mehr Juden als Christen zu Gast waren, daß dort Jiddisch gesprochen und Hebräisch gelesen und geschrieben wurde, und daß auch inner jüdisch die von Mendelssohn verkörperte Aufklärung der Juden umstritten war. Oppenheim suggeriert, daß Mendelssohn die jüdische Aufklärung sozusagen im Alleingang angeschoben und zu einem guten Ende gebracht habe. Das war, wie die Forschungen der letzten 40 Jahre zeigen, mitnichten so. Mendelssohn, das ist die Wirkung des Mendelssohn-Mythos, ist lediglich der am besten erforschte jüdische Aufklärer in Deutschland. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich die breitere Erforschung der jüdischen Aufklärung aus der Mendelssohn-Forschung gelöst und die anderen wichtigen jüdischen Aufklärer ins Licht gerückt, die gemeinsam mit Mendelssohn ab 1770 in Preußen erstmals eine jüdische Aufklärungsbewegung gebildet haben. In dieser jüdischen Aufklärungsbewegung hat Mendelssohn immer eine führende Rolle gespielt, aber er gab keineswegs allein den Ton an. Nach seinem Tod 1786 hat sich diese Aufklärungsbewegung dann auch von seinen Positionen in Philosophie und Religion entfernt.
Oppenheim malte Mendelssohn mit Freund Lessing und Kontrahent Lavater als anerkanntes Mitglied der deutschen Spätaufklärung, ganz so, wie sich das deutsch-jüdi- sche Bürgertum in seinen Wunschvorstellungen seine Ikone Mendelssohn vorstellte. Mendelssohns innerjüdisches Wirken als Symbolfigur jüdischer Aufklärung und Protagonist der jüdischen Aufklärungsbewegung, hebräisch: der Has- kala, bleibt dabei ausgespart. Ähnlich ist das Mendelssohn-Bild der deutschsprachigen Aufklärungsforschung, in der die Haskala als jüdische Aufklärungsbewegung bis heute ein Stiefkind ist.
Das soll sich durch dieses Buch ändern. Es versucht, die Haskala als eine eigene Aufklärungsbewegung darzustellen, die neben und in Auseinandersetzung mit der deut-