Vorwort
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sehen Spätaufklärung speziell die Aufklärung, Bildung und bürgerliche Gleichstellung der Juden zum Ziel hatte. Erstmals in der jüdischen Geschichte sind es nicht Rabbiner, sondern es ist eine säkular gebildete jüdische Avantgarde, die weltanschaulich und publizistisch eine Verbindung zwischen jüdischer Religion und «Nation» und nichtjüdischer moderner Wissenschaft und Bildung hersteilen will. Die Darstellung einer streitbaren, durchaus nicht homogenen Bewegung von säkularen jüdischen Intellektuellen unterschiedlicher Herkunft verlangt, um bei der Malerei zu bleiben, eigentlich ein Gruppenbild, in dem Mendelssohn eine zentrale Stellung hat, aber von einer Anzahl anderer jüdischer Persönlichkeiten umgeben ist, die alle ihre eigenen philosophischen, religiösen, pädagogischen, politischen oder ästhetischen Ansichten hatten.
Dennoch ist dieses Buch nicht personen-, sondern problemorientiert geschrieben: Was waren Absichten, Motive und Ziele der Haskala? Wer waren ihre Gegner? Was war ihre Philosophie und Ideologie jüdischer Aufklärung? Welches Verhältnis hatten ihre Repräsentanten und Vordenker zur jüdischen Religion und Tradition? Was waren ihre Bildungsideale, was ihre politischen Forderungen? Diese Fragen wurden von den jüdischen Aufklärern nicht gleich beantwortet, deshalb ist diese Studie in Kapitel unterteilt, die querschnittartig und nach Themen geordnet die Veränderungen, Entwicklungen und Neuerungen vorstellen: Zunächst die Haskala als Aufklärungsbewegung im Kontext der europäischen Aufklärung, ihre Anfänge und Protagonisten, deren Verständnis von Tora und Talmud, von Kabbala, Chassidismus und jüdischer «Orthodoxie», der Einfluß Kants und die ersten jüdischen Kantianer, die politische Philosophie der Haskala ebenso wie das Alltags- und Sozialverhalten der jüdischen Aufklärer.
Das Gruppenbild wird dadurch bunt und uneinheitlich, aber das ist bei Bewegungen nicht anders zu erwarten, allemal bei Aufklärungsbewegungen einer unterdrückten Minderheit auf dem Weg in die Moderne und in die bür-