Druckschrift 
Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
16
Einzelbild herunterladen

16

Vorwort

tur» wurde ich daran erinnert, daß die Assimilationslei­stungen, welche deutsche Politiker, Teile der Gesellschaft und eine repressive Gesetzgebung Immigranten einer eth­nischen, nationalen und religiösen Minderheit ohne Bür­gerrechte abfordern oder abfordern möchten, sich nach Ausmaß und Schärfe nur graduell von dem unterscheiden, was der jüdischen Minderheit vor über zoo Jahren abver­langt wurde. Die Ähnlichkeiten reichen vom erzwungenen Spracherwerb über das Zuzugsrecht von Familienangehö­rigen und Kindern bis zur Verwechslung des Bewahrens religiöser Traditionen mit «Fundamentalismus». Nur der alltägliche Rassismus ist gratis. Vergleichbare Diskussio­nen über Immigranten sind exemplarisch und erstmals über die jüdische Minderheit aus Migranten im Preußen des Aufklärungszeitalters geführt worden. Die Gegner der Gleichberechtigung und sozialen Integration der Migran­ten gebrauchten in ihrem kulturellen, nationalen und reli­giösen Überlegenheitsgefühl verblüffend ähnliche «Argu­mente». Aber auch die Ausländer und Neubürger, die sich gesellschaftlich und intellektuell akkulturieren wollten und konnten, haben es oft in ihrer eigenen Minderheit nicht leicht. Sie gelten als Verräter, Assimilanten, Überläu­fer, Ungläubige, Opportunisten, Angepaßte und gehören, wie einstmals die jüdischen Aufklärer als Minderheit in­nerhalb der jüdischen Minderheit, nirgendwo dazu. Soll­ten dem Leser dieses Buchs solche Ähnlichkeiten auffal­len, so ist das weder zufällig noch unbeabsichtigt.

Eva Lezzi ist dieses Buch gewidmet.