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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
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18
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18 Europäische Aufklärung und Haskala

Zeichnung findet sich nämlich in der in Königsberg ge­druckten programmatischen hebräischen Schrift Nachal HaBesor . 1 * * * 5 Sie verrät als Selbstbezeichnung die bereits ge­festigte Existenz einer Gruppe von Maskilim, und sie zeugt von deren Selbstverständnis als jüdische Aufklärer, die sich mit dem Anliegen der Aufklärung an andere Ju­den wenden und sie von ihren Zielen zu überzeugen ver­suchen.

Während 1783 die Mitglieder der berühmten Berliner Mittwochsgesellschaft, in der alles vertreten war, was in der Berliner Aufklärung Rang und Namen hatte - neben Mendelssohn auch Nicolai, Biester, Gedike, Spalding, Tel­ler oder Suarez - debattierten, was Aufklärung sei, und während Mendelssohn und Kant 1784 ihre berühmten Antworten auf diese Frage in der Berlinischen Monats­schrift publizierten, 6 diskutierten die Maskilim ebenfalls in Berlin und Königsberg ihr Selbstverständnis als eine Aufklärungsbewegung von Juden. Allerdings mit einem si­gnifikanten Unterschied: Die jüdische Aufklärung hatte gerade erst begonnen, und sie schaute nach vorn, um sich zu verständigen, was zu tun sei. Dagegen blickte die deut­sche Aufklärung zum Zeitpunkt dieser Selbstreflexion schon auf Erreichtes zurück und war damit in gewisser Weise an einem Ende angelangt. 7 Damit wird ein erster wichtiger Charakterzug der Haskala im Gegensatz zur deutschen und europäischen Aufklärung deutlich:

1) Die Haskala war eine nachgeholte, späte Aufklärung.

Die jüdische Aufklärung mußte aufholen, was besonders

die englische, französische und deutsche Aufklärung ihr

intellektuell, politisch, kulturell, sozial und nicht zuletzt religiös voraus hatten. Dieser Vorsprung von Jahrzehnten

setzte die Haskala zeitlich und sozial unter Druck. Die­

ser Druck wurde noch verschärft durch die Auflösung der Ghetto-Situation von Juden mittels obrigkeitlicher Maßnahmen der spätabsolutistischen Regimes in Preußen

und Österreich, die die Juden als demographischen und