Druckschrift 
Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
35
Einzelbild herunterladen

Europäische Aufklärung und Haskala 35

Aufklärungsbewegungen in Europa war die geographische und sozio-kulturelle Herkunft der Maskilim äußerst viel­fältig. Auch in der deutschen und französischen Aufklä­rung gab es Aufklärer aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten, aber zumindest sprachlich herrschte keine sol­che Vielfalt wie in der Haskala.

Auch konfessionell waren die europäischen Aufklä­rungsbewegungen nicht einheitlich: In Frankreich ent­stammten die Aufklärer mehrheitlich dem katholischen Milieu, in England dem anglikanischen, in den deutschen Ländern dem protestantischen, in der Donaumonarchie wiederum dem katholischen. Oft waren die Aufklärer selbst Geistliche, Abbes, Pastoren. Die Maskilim hingegen gehörten einer anderen, jahrhundertelang verfolgten und verachteten Religion und Bevölkerungsgruppe an, die sie gegenüber den majoritär christlichen Aufklärern in christ­lichen Monarchien und Mehrheitsgesellschaften vertreten und verteidigen mußten. Der religiöse Minoritätenstatus zwang die Juden dazu, sich bis ins Detail mit den christ­lichen Lehren und auch mit christlicher Kunst und Kultur vertraut zu machen. Auch hier waren intellektueller Auf­wand und Lernnotwendigkeiten beim Kennenlernen des anderen weit höher als bei den christlichen Zeitgenossen.

Gleichen Ansprüchen mußten sich die christlichen Auf­klärer umgekehrt nicht stellen. Ihre Kenntnisse der jüdi­schen Religion waren meist reduziert auf traditionelle an­tijüdische Klischees aus dem Fundus des alten christlichen Antijudaismus. 31 Bemühungen, die es bei den christlichen Hebraisten wie den Baslern Johannes Buxtorf sen. und jun., wie beim Hamburger Theologen Johann Christoph Wolf, dem Autor der Bibliotheca Hebraea (1715-1733), oder bei Christian Knorr von Rosenroth im 17. Jahr­hundert noch gab, Juden und Judentum der Gegenwart kennenzulernen, 32 finden sich bei Aufklärern des 18. Jahr­hunderts vergleichsweise selten. Nicht wenige deutsche Aufklärer schöpften ihre «Kenntnisse» des Judentums aus Johann Andreas Eisenmengers 1711 auf Kosten des preu-