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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
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Europäische Aufklärung und Haskala 43

Import. Die wenigen deutschen Materialisten und Liber­tins schrieben clandestin. Die deutsche Aufklärung betrieb nicht Aufklärung von der Religion, sondern Aufklärung der Religion und mit der Religion. Das tat die Haskala auch.

10) Die Haskala war eine religionsnahe und religions­freundliche Aufklärung. Aufklärung der Juden als Juden wäre sonst nicht ihr Projekt geworden. Ohne Religion wäre auch ein aufgeklärter Jude kein Jude mehr gewesen, die Aufklärung aller Juden als Juden, Kernbotschaft der Maskilim, hätte sich ohne die Religionszugehörigkeit als fester Bezugspunkt von selbst erledigt. Die Religionskritik der Maskilim zielte nicht auf die Abschaffung oder Zer­störung der jüdischen Religion, sondern, wenn überhaupt, auf ihre Veränderung. Die Maskilim wollten die Verände­rung des Stellenwertes der Religion und der Rabbiner im jüdischen Leben neben Aufklärung und Bildung. Die Has­kala arbeitete sich am Judentum ab, sie konnte und wollte es nie loswerden. Darüber, wie das zu geschehen habe und ob sich nicht in dieser Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Aufklärung auch das Judentum verändern muß, gab es innerjüdisch starke Auseinandersetzungen. Das macht die Vielstimmigkeit der jüdischen Aufklärung aus, aber auch ihre intellektuelle, literarische, wissen­schaftliche und sogar religiöse Produktivität in nur weni­gen Jahren.

Die Haskala in Deutschland endete teils durch das Er­reichen ihrer Ziele, teils durch Napoleon, teils durch die Romantik: Die Juden wurden zunächst durch den Code Napoleon, in Preußen dann durch ein königliches Edikt von 1812 staatsbürgerlich emanzipiert. Das Emanzipa­tionsedikt von 1812 war der Endpunkt der Haskala in Preußen, denn die bürgerliche Verbesserung schien weit­gehend erreicht. Schulen und Universitäten standen den Juden offen. Juden partizipierten in deutscher Sprache an allen Bildungsgütern und intellektuellen Debatten der bür-