Europäische Aufklärung und Haskala 43
Import. Die wenigen deutschen Materialisten und Libertins schrieben clandestin. Die deutsche Aufklärung betrieb nicht Aufklärung von der Religion, sondern Aufklärung der Religion und mit der Religion. Das tat die Haskala auch.
10) Die Haskala war eine religionsnahe und religionsfreundliche Aufklärung. Aufklärung der Juden als Juden wäre sonst nicht ihr Projekt geworden. Ohne Religion wäre auch ein aufgeklärter Jude kein Jude mehr gewesen, die Aufklärung aller Juden als Juden, Kernbotschaft der Maskilim, hätte sich ohne die Religionszugehörigkeit als fester Bezugspunkt von selbst erledigt. Die Religionskritik der Maskilim zielte nicht auf die Abschaffung oder Zerstörung der jüdischen Religion, sondern, wenn überhaupt, auf ihre Veränderung. Die Maskilim wollten die Veränderung des Stellenwertes der Religion und der Rabbiner im jüdischen Leben neben Aufklärung und Bildung. Die Haskala arbeitete sich am Judentum ab, sie konnte und wollte es nie loswerden. Darüber, wie das zu geschehen habe und ob sich nicht in dieser Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Aufklärung auch das Judentum verändern muß, gab es innerjüdisch starke Auseinandersetzungen. Das macht die Vielstimmigkeit der jüdischen Aufklärung aus, aber auch ihre intellektuelle, literarische, wissenschaftliche und sogar religiöse Produktivität in nur wenigen Jahren.
Die Haskala in Deutschland endete teils durch das Erreichen ihrer Ziele, teils durch Napoleon, teils durch die Romantik: Die Juden wurden zunächst durch den Code Napoleon, in Preußen dann durch ein königliches Edikt von 1812 staatsbürgerlich emanzipiert. Das Emanzipationsedikt von 1812 war der Endpunkt der Haskala in Preußen, denn die bürgerliche Verbesserung schien weitgehend erreicht. Schulen und Universitäten standen den Juden offen. Juden partizipierten in deutscher Sprache an allen Bildungsgütern und intellektuellen Debatten der bür-