Europäische Aufklärung und Haskala 45
europäischen Aufklärungsbewegungen längst erloschen waren. Die Entwicklung der Haskala in Berlin und Preußen hingegen vollzog sich im Kontext der anderen europäischen Aufklärungsbewegungen am Beginn der Moderne. Mit der Berliner Haskala beginnt für das Judentum seine moderne Entwicklung. Aber wo ist diese frühe Haskala historisch zu lokalisieren in Hinsicht auf so allgemeine Tendenzen der Moderne wie gesellschaftliche Modernisierung, Urbanisierung, Rationalisierung, Säkularisierung und Demokratisierung?
Die gesellschaftliche Modernisierung der Juden ging der Haskala voraus. Die Juden hatten das Ghetto im buchstäblichen und metaphorischen Sinn schon verlassen, als die Aufklärungsbewegung unter ihnen begann. In Berlin hat es nie ein Ghetto gegeben. Schon am Anfang des 18. Jahrhunderts hatten sich im deutschsprachigen Raum die sozialen Kontakte mit Nichtjuden verstärkt und Juden begonnen, deren Moden, Bildung und Sitten anzunehmen. Sie lebten nicht mehr nur unter sich, sondern orientierten sich, zumal in den Städten, zunehmend an der nichtjüdischen Umwelt. Die jüdische Aufklärung ist nicht Ursache dieser Entwicklung, sondern ihre Folge.
Die Urbanisierung ist der Nährboden der Haskala. Die Maskilim sind häufig Zuwanderer vom Land und aus Kleinststädten, die gegen den Widerstand der Obrigkeit und unter großen Schwierigkeiten in die rasch wachsenden Großstädte zogen und dort eine städtische Intelligenz bildeten. Die jüdischen Aufklärer hatten urbane Berufe und Lebensgewohnheiten, sie waren Kaufleute, Ärzte, Lehrer oder Buchdrucker. Die Haskala war letztlich eine Bewegung von Städtern, auf dem Land hat sie sich nie erfolgreich entwickeln können.
Rationalisierung und Entzauberung der Welt hat Max Weber als Kennzeichen der Moderne benannt. In diesem Punkt ist die Haskala entschieden modern: Die Berufung auf die Vernunft ist in ihrer Ideologie ein zentraler Punkt. Die rationale Prüfung religiöser Lehren und Lebensfüh-