Haskala und Kabbala 123
im Chassidismus als auch im Sabbatianismus, einer durch den Mystiker Sabbatai Zwi ausgelösten messianischen Bewegung, 177 die jüdischen Aufklärer mit äußerst erfolgreichen Spielarten der Kabbala konfrontiert waren.
Während die Kabbala bei christlichen Aufklärern, bei llluminaten und Pietisten als uralte Geheimlehre und als esoterische jüdische Philosophie galt - als «Philosophia Ju- daeorum esoterica», wie Johann Jacob Brücker 1742 sehr typisch formulierte 178 - und während sie dort als Bestandteil der philosophia perennis firmierte und als solcher bis in die Aufklärung tradiert wurde, begegnet die Kabbala den jüdischen Aufklärern in verschiedenen, sowohl höchst aktuellen als auch sehr populären Erscheinungsformen. Hierin liegt ein gar nicht zu überschätzender Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Aufklärern. Ein zweiter Unterschied liegt in ihrem höchst unterschiedlichen Wissensstand: Das wissenschaftlich gebildete christliche Publikum bezog sein Wissen über Kabbala meist aus lateinischen Übersetzungen und Kommentierungen kabbalistischer Werke, etwa aus der lateinischen Übersetzung des Sefer Jezira (1552) durch Guillaume Postei, 179 und aus lateinischen Darstellungen der kabbalistischen Lehren wie Reuchlins De arte cabbalistica (1517), Knorr von Rosen- roths Cabbala Denudata (2 Bde. 1677/84), Wächters Der Spinozismus im Jüdenthumb Oder die von dem Heutigen Jüdenthumb und dessen Geheimen Kabbala Vergötterte Vielt (1699) oder Brückers Historia critica philosophiae (1742), geschrieben zumeist von christlichen Kabbalisten und Philosophiehistorikern. 180 Sehr weit verbreitet war jedoch auch das judenfeindliche Werk des Orientalisten Johann Andreas Eisenmenger mit dem Titel Entdecktes Judentum (Königsberg 1711), das in diffamatorischer Absicht eine erstaunlich große Anzahl kabbalistischer Schriften zitiert. Dagegen waren die jüdischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts noch ohne Ausnahme des Hebräischen und Aramäischen mächtig und konnten bei Bedarf die Quellentexte konsultieren. 181