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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
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Haskala und Kabbala 123

im Chassidismus als auch im Sabbatianismus, einer durch den Mystiker Sabbatai Zwi ausgelösten messianischen Be­wegung, 177 die jüdischen Aufklärer mit äußerst erfolgrei­chen Spielarten der Kabbala konfrontiert waren.

Während die Kabbala bei christlichen Aufklärern, bei llluminaten und Pietisten als uralte Geheimlehre und als esoterische jüdische Philosophie galt - als «Philosophia Ju- daeorum esoterica», wie Johann Jacob Brücker 1742 sehr typisch formulierte 178 - und während sie dort als Bestand­teil der philosophia perennis firmierte und als solcher bis in die Aufklärung tradiert wurde, begegnet die Kabbala den jüdischen Aufklärern in verschiedenen, sowohl höchst aktuellen als auch sehr populären Erscheinungsformen. Hierin liegt ein gar nicht zu überschätzender Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Aufklärern. Ein zwei­ter Unterschied liegt in ihrem höchst unterschiedlichen Wissensstand: Das wissenschaftlich gebildete christliche Publikum bezog sein Wissen über Kabbala meist aus latei­nischen Übersetzungen und Kommentierungen kabbalisti­scher Werke, etwa aus der lateinischen Übersetzung des Sefer Jezira (1552) durch Guillaume Postei, 179 und aus lateinischen Darstellungen der kabbalistischen Lehren wie Reuchlins De arte cabbalistica (1517), Knorr von Rosen- roths Cabbala Denudata (2 Bde. 1677/84), Wächters Der Spinozismus im Jüdenthumb Oder die von dem Heutigen Jüdenthumb und dessen Geheimen Kabbala Vergötterte Vielt (1699) oder Brückers Historia critica philosophiae (1742), geschrieben zumeist von christlichen Kabbalisten und Philosophiehistorikern. 180 Sehr weit verbreitet war jedoch auch das judenfeindliche Werk des Orientalisten Johann Andreas Eisenmenger mit dem Titel Entdecktes Judentum (Königsberg 1711), das in diffamatorischer Ab­sicht eine erstaunlich große Anzahl kabbalistischer Schrif­ten zitiert. Dagegen waren die jüdischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts noch ohne Ausnahme des Hebräischen und Aramäischen mächtig und konnten bei Bedarf die Quellentexte konsultieren. 181