Druckschrift 
Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
176
Einzelbild herunterladen

176 Die politische Philosophie der Haskala

Reglements stellten eine Verschlechterung gegenüber der Situation von 1671 dar. Das Reglement Friedrichs II. von 1750, das die rechtliche Situation der Juden in Preußen bis zum Gleichstellungsedikt von 1812 im wesentlichen bestimmte und nach dessen Erlaß sofort etwa 500 Juden Berlin verlassen mußten, teilte die Juden in sechs verschie­dene Klassen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ein. Es hatte eine Begrenzung der jüdischen Einwohner­schaft in Berlin zum Ziel und gewährte Juden ein Ansied- lungs- und Bleiberecht nur unter scharfen Auflagen. Ne­ben der Abgabe von hohen Steuern oder der Schikane des erzwungenen und überteuerten Kaufs von «Judenporzel­lan», nämlich häßlichen Porzellanaffen der Königlichen Porzellanmanufaktur, bestimmte die Eingruppierung in diese Klassen z.B. auch über das Recht eines Juden, zu heiraten, seine Kinderzahl und seine Berufsfreiheit. Bür­gerrechte genossen nur ganz wenige wohlhabende jüdi­sche Kaufleute und Bankiers, Mendelssohn war nach die­ser Klassifikation nur «außerordentlicher Schutzjude» und hätte bei Verlust seiner Anstellung, später Teilhaber­schaft an der Seidenmanufaktur Bernhard mitsamt seiner Familie Berlin sofort verlassen müssen - ungeachtet seines Rufs als Philosoph und Aufklärer. Das war die Situation der Juden in Preußen, als Dohm 1781 die Debatte um die bürgerliche Verbesserung der Juden eröffnete.

Die Debatte um die bürgerliche Verbesserung der Juden ist die wichtigste Debatte der Haskala neben derjenigen um die deutsche Übersetzung der hebräischen Bibel und des Gebetbuchs, derjenigen um die profane Erziehung jü­discher Kinder im Anschluß an Naftali Hartwig Wesselys Schrift Divrej Schalom VeEmet (1782) und derjenigen um die frühe Beerdigung der Toten ab 1787. Alle vier De­batten sind niemals nur inner jüdische Debatten. Sie wer­den inner jüdisch in deutscher wie in hebräischer Sprache geführt, den Christen gegenüber wird Deutsch geschrie­ben. Christen nehmen an allen vier Debatten teil, z. T. als Auslöser, reale Mitwirkende und Autoren, z. T. aber auch