Die politische Philosophie der Haskala 177
als imaginäre Partner einer jüdisch-christlichen Auseinandersetzung.
Aber keine der Debatten war annähernd so dominierend wie die Debatte um die bürgerliche Verbesserung der Juden, die eigentlich erst mit dem preußischen Emanzipationsedikt von 1812 endgültig abgeschlossen wurde. Sie bestimmte die Realpolitik und die politische Philosophie der Haskala. Sie wurde von den Befürwortern der bürgerlichen Verbesserung auf drei verschiedenen philosophischen Argumentationsniveaus geführt, die sich in einzelnen Schriften oder Pamphleten vermischen, die jedoch als drei «Diskurse» voneinander unterschieden werden können: 1) ein am Staatsnutzen orientierter, eudämonistischer Diskurs (Dohm); 2) ein naturrechtlicher Diskurs (Mendelssohn); 3) ein autonomie-ethischer Diskurs (Ascher, Bendavid).
1) Dohms Buch, das in relativ enger Abstimmung mit Mendelssohn geschrieben wurde, stand am Anfang einer polemischen Debatte über das Schicksal der Juden im Königreich Preußen. Unmittelbarer Anlaß der Abfassung des ersten Teils dieses Werks ist das «Memoire sur l’etat des Juifs en Alsace» von 1780, das der Wortführer der aschkenasi- schen Juden des Elsaß, Cerf Beer, zur redaktionellen Überarbeitung an Mendelssohn geschickt hatte und das als Anhang von Dohms Schrift gedruckt ist. Mendelssohn hatte das Memoire, welches manche Argumente von Dohm vorwegnimmt, als Anregung an Dohm weitergegeben, weil er nicht wollte, daß Juden in eigener Sache für ihre Rechte und Interessen plädierten. In dieser Linie ist die ganze Schrift Dohms konsequent an dem Interesse und am Nutzen einer spätabsolutistischen Monarchie ausgerichtet, für die bürgerliche Verbesserung der Juden auf ihrem Territorium zu sorgen. Dohm «begnügt sich hier dem Publicum seine Gedanken vorzulegen, wie die Juden nützlichere Glieder der bürgerlichen Gesellschaft werden könnten». 276 Sachlich konstatiert er die Mißstände im gegenwärtigen