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Die jüdische Aufklärung : Philosophie, Religion, Geschichte / Christoph Schulte
Entstehung
Seite
179
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Die politische Philosophie der Haskala 179

rücknehmen: «Die Synagoge wird nach dem Staat sich be­quemen müssen.» 279 So bestreitet Dohm, daß Juden bei Festhalten an ihren traditionellen religiösen Vorschriften brauchbare Soldaten und damit vollwertige Bürger mit Rechten und Pflichten sein können. Dohm fordert von den Juden, den «bisherigen Glauben zu reformiren», 280 darun­ter alle Gebote, die den Status der Juden als eigene «Na­tion» aufrechterhalten. Er nennt als Beispiel den Glauben an die Erlösung Israels durch einen Messias, die Sabbat- und die Speisegesetze, welche die Geselligkeit und das ge­meinsame Essen bei und mit Christen verwehren. Der zweite Teil des Werks endet mit der Aufforderung an die Juden; «Karaiten» zu werden, d.h. den Talmud und die gesamte mündliche Tradition der jüdischen Religion zwecks Anpassung an die Erfordernisse der bürgerlichen Gesellschaft aufzugeben. 281 Von der eigenen Forderung, den Juden solle völlig freie Religionsausübung gewährt werden, hat sich Dohm hier weit entfernt. Es ist jedoch nicht nur Dohm, der unter dem Druck der Debatte ein­knickt. Auch viele Maskilim schwenken nicht nur auf den Nützlichkeitsdiskurs ein, sie stimmen auch der Forderung nach der Veränderung ihrer Religion zu, um ihre bürger­liche Gleichstellung voranzutreiben.

a) Im Jahr 1783 griff dann Mendelssohn entscheidend in diese Debatte ein. In seinem Buch Jerusalem oder über re­ligiöse Macht und Judentum , dem rechtsphilosophischen Hauptwerk Mendelssohns, argumentiert er anders als Dohm nicht vom Staatsnutzen her, sondern von einem na­turrechtlichen Standpunkt aus. Er fordert gleiche Gründ­end Bürgerrechte für alle Menschen, also auch die Juden, auf Grundlage des Naturrechts. Menschenrechte eignen allen Menschen von Natur und Geburt. Sie werden nicht nach Belieben oder nach Interessenlage, Nützlichkeit und Brauchbarkeit von der Obrigkeit verliehen oder entzogen, s *e sind vielmehr unveränderlich, unverlierbar und, wie Mendelssohn schreibt, «unveräußerlich».