Vorwort
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Ich will dieses Vorwort mit dem Eingeständnis schließen, daß ich noch nie so ausführlich über einen Menschen geschrieben habe, der mir nach Weltanschauung, Werk und Persönlichkeit so fern und in manchem auch unsympathisch war wie Max Nordau. Daß den Lesern diese Distanz auffallen wird, war nicht zu vermeiden. Sie ist, glaube ich, auch keine Reaktion darauf, daß Nordau allen seinen anderen Biographen, um es vorsichtig zu sagen, so überaus sympathisch war. Daß die Distanz des Biographen den intellektuellen Rang und die hohe Bedeutung Nordaus als kulturellen Mittlers nicht mindern kann, dessen war ich mir gewiß. Nordaus Lebensweg mit all seinen sozialen Hindernissen, mit den inneren und äußeren Konflikten um sein Jude-Sein, Nordaus persönlicher Werdegang vom spätromantischen jugendlichen Schwärmer zu einem zionistischen Realpolitiker - all das macht ein paradigmatisches jüdisches Intellektuellenschicksal des 19. und 20. Jahrhunderts aus, das auch mich immer wieder gepackt hat. Ich will hoffen, daß ich in den Punkten meiner Darstellung, wo ich urteilen und beurteilen mußte, seiner Person und seinem Werk gerecht geworden bin.
Berlin, im April 1997
Christoph Schulte