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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Meine Selbstbiographie

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Meine Selbstbiographie

»Ich bin in Pest - damals gab es noch kein Buda-Pest - am 29. Juli 1849 mitten in dem Durcheinander des in den letzten Zü­gen liegenden ungarischen Freiheitskampfes geboren. Drei Mo­nate vor meiner Geburt mußten meine Eltern aus ihrer Wohnung in Pest fliehen und in einer Art Bauernhütte Zuflucht suchen. Sie retteten sich vor den Bomben der Ofner Festung, die Pest be­schoß, nach dem Stadtwäldchen, wo sie ganz schutzlos zwei schreckensvolle Nächte verbrachten. Meine Mutter war damals von der Gefahr bedroht, daß ihre Schwangerschaft zu einem vor­zeitigen Ende gelangen würde. So fehlte wenig, und ich wurde ein Opfer der politischen Ereignisse. Das Schicksal wollte es aber an­ders. Es mochte mir die Prüfungen und Verantwortlichkeiten des Lebens nicht ersparen.

Meine Mutter, die ich am 2. Januar 1900 in ihrem 88. Lebens­jahre verlor und die auf dem Friedhof Montparnasse begraben liegt, war eine geborene Nelkin aus Riga. Mein Vater, More Mo- renu Haraw Rabbi Gabriel Ben Oser Ben Simcha Ben Mosche Ben Josef Südfeld - den Namen Nordau führe ich gesetzlich seit dem 11. April 1874 - ist 1799 in Krotoschin, im Großherzogtum Posen, geboren und 1872 in Budapest gestorben. Mein Vater war Rabbiner. Sein Diplom hatte er von den großen Rabbinern »Cha- wath Daath« und Rabbi Akiba Eger erhalten, er übte aber sein Rabbineramt nicht aus. Vielleicht hatte er sich vorgesetzt, seinen Lebensunterhalt als Lehrer zu verdienen. So wurde er Erzieher im Hause des Prager Rabbiners R. Rappaport, alsdann beim Preß- burger Rabbiner Rabbi Mosche Sofer und von dort kam er zur