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Jugendjahre in Pest
Familie Fischhof in Alt-Ofen. Der österreichische Politiker Dr. Adolf Fischhof war durch sechs Jahre sein Schüler. Mein Vater war ein streng religiöser Jude und von seinem hebräischen und talmudischen Wissen legen seine Bücher in hebräischer Sprache, Prosa und Verse, Zeugnis ab. Er selbst gab mir den ersten hebräischen Unterricht, und ich war noch nicht neun Jahre alt, als er mit mir den Pentateuch zum erstenmal durchgenommen hatte. Zu Hause nannte man mich Simcha und den Vornamen Max wendete man nur in Gegenwart von Fremden an. Mein Vater war ein typischer Maskil (Aufgeklärter), persönlich durch und durch erfüllt vom Schulchan Aruch, wenngleich bereits mit einem Einschlag von Modernismus und voll Begeisterung für die berühmte >Mission des Judentums<, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts den verödeten Platz des jüdischen Volksbewußtseins einzunehmen begann. Das Ergebnis war, daß seinen Schülern, obwohl er ihnen die hebräische Sprache beibrachte, das jüdische Nationalgefühl fremd geblieben ist. Einige der Fischhofs wurden zu Muster-Assimilanten, andere tauften sich, und ich selbst machte eine Assimilationsphase durch, aus der ich mich nur mit großer Mühe und sittlicher Anstrengung herausgearbeitet habe.
In Pest besuchte ich zuerst die jüdische Normalschule, dann kam ich in das katholische Staatsgymnasium und von der fünften Klasse an in das kalvinistische Gymnasium, wo ich die Reifeprüfung bestand. In beiden Gymnasien waren einige meiner Lehrer getaufte Juden. Ich erinnere mich noch, welchen Ekel die Abtrünnigen durch ihre Frechheit, ihren ungarischen Chauvinismus und ihren Antisemitismus in mir erregten. In meiner Gymnasialzeit erhielt ich Unterricht im Talmud durch einen rührend bescheidenen Gelehrten, Herrn Freudenberg, und von Herrn Mannheimer einen gründlich assimilatorischen >israelitischen Glaubensunterricht<, der im Auswendiglernen eines vom Großherzoglich Badischen Konsistorium approbierten >Katechismus der mosaischen Religion< bestand. Der Religionsunterricht war für alle meine Kameraden ebenso wie für mich eine Stunde des Spottes und des Gelächters, des Unbehagens und des Widerwillens, doch hatten wir für Herrn Mannheimer Achtung und Würdigung.
Als ich auf die Universität kam und dort meinen medizini-