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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Weltausstellung Wien

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Weltausstellung Wien

Vor der europäischen Bildungsreise war der Militärdienst zu absol­vieren. Nordau kombinierte geschickt das Berufliche, das Militäri­sche und das Angenehme. Nach Abschluß seines Medizinstudiums nimmt er die Gelegenheit wahr, in Wien als Militärchirurg seine halbjährige Dienstzeit abzuleisten. 1 Wie wenig wichtig er das Mili­tär nimmt, ist daraus zu ersehen, daß es in seiner Korrespondenz aus Wien nur überhaupt ein einziges Mal vorkommt. Es muß von vornherein klar gewesen sein, daß seine Diensttätigkeit eine sine eure zu werden versprach, denn parallel zum Militärdienst läßt Nordau sich vom Pester Lloyd als Korrespondent für die Weltaus­stellung engagieren, die am l.Mai 1873 in Wien eröffnet werden soll. Mit Dr. Miksa Falk (1828-1908), einem getauften Juden und liberalen Politiker, damals dem Herausgeber des Lloyd, handelt Nordau für sich den exorbitant hohen Salär von 400 Gulden pro Monat aus. Von April bis einschließlich Oktober verdient er auf diese Weise in sieben Monaten 2800 Gulden 2 und wird gleichzeitig seine Militärverpflichtungen los. Er zweigt im Monat möglichst nur 100 Gulden für die Versorgung der Familie ab, 3 der Rest wird auf die Sparkasse getragen. Zum ersten Mal verdient Nordau so viel Geld, daß er sich tatsächlich überlegen muß, wie er es anlegen soll. 4

Am 6. April in Wien angekommen, lebt er die ersten Tage in

1 Interview mit Nordau, in: The Idler, IX (February 1896), S. 16.

2 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Wien, 23.10.1873, ZZA A 119/14.

3 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Wien, 12.7.1873, ZZA A119/14.

4 Brief Nordau - Charlotte Südfeld, Wien, 18.5.1873, ZZA A119 /14.