Pariser Briefe. Kulturbilder
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Pariser Briefe. Kulturbilder
Zwischen den frühen Pariser Kulturfeuilletons und der späteren, stärker theoretischen Kulturkritik liegen die Essays des 1884 erstmals, 1887 dann in »zweiter, vollständig umgearbeiteter und vielfach vermehrter Auflage« erschienenen Sammelbandes Pariser Briefe. Kulturbilder. Wiederum handelt es sich um zuvor in Zeitungen veröffentlichte Feuilletons, die einerseits viel Pariser Lokalkolorit vermitteln, andererseits die kulturkritischen Positionen der Conventionellen Lügen widerspiegeln und sogar, was die Literaturkritiken im zweiten Teil des Buches mit dem Titel Pariser Bücher betrifft, so manche Attacken von Entartung vorwegnehmen.
Vor dem Krach und Nach dem Krach heißen die beiden Eingangskapitel des Buches, die noch einmal Nordaus gesammelte moralische Entrüstung über die Pariser Börse ausschütten. Ausgangspunkt ist der Börsenkrach von 1882, der, ausgelöst von der Pleite der Bank Bontoux, durch den Kursverfall der Aktien an der Börse eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit vielen Pleiten und mit massiver Arbeitslosigkeit zur Folge hatte: Die erste katastrophale Krise des Kapitalismus in Frankreich. 1 Aus der Perspektive des moralisierenden Wirtschaftskritikers, für den die Börse das »Goldene Kalb«, das falsche Idol der Pariser ist, 2 macht sich Nordau über die Krokodilstränen der »Pharisäer« lustig, die das unwahre Lob der Bescheidenheit singen, bloß weil sie nicht über genug Kapital verfügen, um an der Börse zu spekulieren. In Wirklichkeit wollen alle
1 Vgl. Pierre Miquel, Histoire de la France, Bd. II, Paris 1976, S. 108-110.
2 Max Nordau, Pariser Briefe. Kulturbilder, Leipzig: Ed. Wertig 2 1887, S. 1.