Druckschrift 
Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
Seite
161
Einzelbild herunterladen

Pariser Briefe. Kulturbilder

161

Pariser Briefe. Kulturbilder

Zwischen den frühen Pariser Kulturfeuilletons und der späteren, stärker theoretischen Kulturkritik liegen die Essays des 1884 erst­mals, 1887 dann in »zweiter, vollständig umgearbeiteter und viel­fach vermehrter Auflage« erschienenen Sammelbandes Pariser Briefe. Kulturbilder. Wiederum handelt es sich um zuvor in Zei­tungen veröffentlichte Feuilletons, die einerseits viel Pariser Lokal­kolorit vermitteln, andererseits die kulturkritischen Positionen der Conventionellen Lügen widerspiegeln und sogar, was die Litera­turkritiken im zweiten Teil des Buches mit dem Titel Pariser Bü­cher betrifft, so manche Attacken von Entartung vorwegnehmen.

Vor dem Krach und Nach dem Krach heißen die beiden Ein­gangskapitel des Buches, die noch einmal Nordaus gesammelte moralische Entrüstung über die Pariser Börse ausschütten. Aus­gangspunkt ist der Börsenkrach von 1882, der, ausgelöst von der Pleite der Bank Bontoux, durch den Kursverfall der Aktien an der Börse eine Finanz- und Wirtschaftskrise mit vielen Pleiten und mit massiver Arbeitslosigkeit zur Folge hatte: Die erste katastrophale Krise des Kapitalismus in Frankreich. 1 Aus der Perspektive des mo­ralisierenden Wirtschaftskritikers, für den die Börse das »Goldene Kalb«, das falsche Idol der Pariser ist, 2 macht sich Nordau über die Krokodilstränen der »Pharisäer« lustig, die das unwahre Lob der Bescheidenheit singen, bloß weil sie nicht über genug Kapital ver­fügen, um an der Börse zu spekulieren. In Wirklichkeit wollen alle

1 Vgl. Pierre Miquel, Histoire de la France, Bd. II, Paris 1976, S. 108-110.

2 Max Nordau, Pariser Briefe. Kulturbilder, Leipzig: Ed. Wertig 2 1887, S. 1.