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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Das Recht zu lieben

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Das Recht zu lieben

»Gleichsam nur noch automatisch« 1 hatte Nordau den zweiten Band von Entartung zu Ende geschrieben und die letzten Korrek­turbögen Anfang April 1893 an den Verleger Duncker geschickt, während in Italien im März die italienische Übersetzung des ersten Bandes unter dem Titel Degenerazione erschien. Er ist total er­schöpft, kann sich aber keinen Erholungsurlaub leisten, weil er Be­rufspflichten für die Vossische Zeitung nachzuholen hat. 2 Im Juli schickt er nur Mutter und Schwester in den Urlaub, bleibt jedoch selber in Paris. 3 Eigentlich zieht es ihn nach Berlin, wo am 12. Au­gust im Lessingtheater die deutsche Uraufführung seines Stückes Das Recht zu lieben stattfindet. Das Stück war durch Vermittlung von Richard Kaufmann und des alten Kammerherrn von Fallesen, eines guten Freundes von Nordau und Intendanten des König­lichen Theaters 4 , schon im März 1892 unter einem Pseudonym und in Abwesenheit Nordaus im Königlichen Theater zu Kopenhagen uraufgeführt worden. Es hatte indessen in der intellektuellen Hauptstadt Skandinaviens und an ihrem damals bedeutendsten Theater keinen Erfolg gehabt. 5 Vermutlich war die polemische

1 Brief Nordau-von Jagow, Paris, 30.3.1894, ZZA 119/283/116.

2 Brief Nordau - von Jagow, Paris, 18.4.1893, ZZA A 119 / 283 /117.

3 Brief Nordau - von Jagow, Paris, 23.7.1893, ZZA A 119/283 /123.

4 Von der Vermittlung Kaufmanns und Umständen der Aufführung berichtet: Max Nordau. Erinnerungen, S. 163f. Der Intendant von Fallesen starb ein Jahr später im Juli 1894 »in den Armen« Nordaus in Ville dAvray bei Paris; vgl. Brief Nordau-von Jagow, Paris, 21.7.1894, ZZA A 119/283/157.

5 Undatiertes Brieffragment Nordau-von Jagow, Paris, ZZA A119/283/68.