als „The Heathen Chinese“ (1870), besiegelten seinen Ruhm. 1871 verließ er Kalifornien im Triumph und zog nach der atlantischen Küste, dem Zentrum der amerikanischen Literaturtätigkeit.
Ruhm und Geld versiegten bald. 1878 gewährte im Präsident Hayes die Sinekur einer amerikanischen Konsularagentur in Krefeld. Harte reiste nicht nur ohne Frau und Kinder dorthin ab, sondern brachte es fertig, sie die nächsten vierundzwanzig Jahre in Amerika zu lassen, ohne daß er selbst je dorthin zurückkehrte. Er verbrachte zwei Jahre in Krefeld und gab vor, Deutschland zu hassen; ob er das aber nur vorschützte, um sich seine Familie vom Halse zu halten, bleibe dahingestellt. 1880 erreichte er seine Versetzung als Konsul nach Glasgow, wo er sich ebenfalls nicht überarbeitete. Von 1885 bis zu seinem Tod (1902) lebte er in und um London, unfähig, sein großes Talent durch neues Material und dichterischen Fortschritt produktiv zu gestalten, eng befreundet mit einer belgischen Diplomatenfrau mit neun Kindern und einem toleranten Mann, ein Verhältnis, welches das viktorianische England skandalös fand und Hartes Gattin beunruhigte, was aber weder ihn noch die hochbegabte, charakterstarke Belgierin störte. Als er verstarb, wunderten sich viele seiner Leser, daß er überhaupt noch am Leben gewesen war.
Alles in allem: ein scheinbar echt amerikanisches „boom and bust“-Leben, mit wildem Westen und englischen Salons, von Goldgräbern und Indianern zu Bostonians und deutschen Lokalgrößen, von Reichtum zu ewigen Schulden, von Familienglück zu Skandal, von Nationalhelden zu Exil, von kurzem Ruhm zu langer Vergessenheit. Paradoxerweise aber war Harte als Person alles andere als „rough and ready“, sondern im Gegenteil aufs feinste gekleidet, mit Luxus auf „du und du“ stehend, eher ein Dandy als ein Pionier.
Eugene F. Timpe hat uns eine ausgezeichnete Übersicht der Rezeption Bret Hartes in Deutschland geliefert. 3 Seit seiner Einführung in Deutschland im Jahre 1872 wurde sein Werk dort sehr schnell übersetzt und bekannt, und in den nächsten zehn Jahren war er der beliebteste amerikanische Autor in Deutschland. Danach senken sich die Übersetzungen, obschon allmählich, bis 1920, und seitdem erlebt er die bescheidene aber anhaltende Übersetzungszahl von ein oder zwei Werken pro Jahr. Anklang und Abklang in Deutschland entsprechen dieser Kurve. Jedenfalls waren er und Mark Twain von 1873 bis zum Jahrhundertende die in Deutschland meistgelesensten und meistbesprochenen amerikanischen Schriftsteller.
Es ist bezeichnend für die traditionelle Fremdliteraturfreundlichkeit der Deutschen und den Ernst, mit dem sie betrieben wird (oder wurde), daß Harte von Anfang an (1872) auch auf englisch in Deutschland erschien, und zwar in den berühmten Tauchnitzausgaben. Tauchnitz begründete sein Unternehmen damit, daß Harte zur Stunde der „populärste amerikanische Dichter“ sei. 4 Im selben Jahr veröffentlichte der prominenteste frühe Vermittler Bret Hartes in Deutschland, der greise, lange in England ansässige Ferdinand Freiligrath, einen Artikel „Bret Harte: Der Goldgräber“ in der Gegenwart (27. Juli 1872), in dem er Bret Harte, den er selbst übersetzt hatte, dem deutschen Publikum aufs wärmste empfahl. In einem im
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