Teil eines Werkes 
2 (1904) Weitere Umgegend Berlins : westliche Hälfte
Entstehung
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9. Stendal und Tangermünde.

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143 m hohe Nordturm wurde 1617 zerstört und 1712 bis zu 89 m Höhe wieder aufgerichtet; aus der Laterne prächtiger *Blick auf die Umgegend bis nach Havel­berg und Magdeburg. Der unvollendet gebliebene Süd­turm ist 41 m hoch.

Im Innern (Küster Pfarrhof 5) an den Emporen eine lange Reihe, von Bildern (meist aus dem Alten Testament) mit den Namen von Bürgern. Schöne Benaissanceorgel mit Eichenschnitzereien (1624 1653). Neues Chorgestühl mit Darstellungen Christi und der Apostel. Im Chorumgang zahlreiche Grabsteine; hier auch, r. vom Altar, ein mittelalterliches Holzschnitzwerk, weibliche Figur in einem Hirsch­geweih, auf das sich die Sage von der Rettung der Jungfer Lorenz durch einen Hirsch beziehen soll. In den Querschiffen r. ehernes Taufbecken von 1508, 1. Grabstein des Bürgermeisters Petrus Kunitz von 1598 mit gut erhaltener Figur.

Den Abschluss der eigentlichen Stadt nach N. bildet das Huhnerdorfer Tor, ein mittelalterlicher Bau, von dem nur noch der Zinnenturm des Innentors übrig ge­blieben ist. Im Hühnerdorf, seit 1456 Bestandteil der Stadt, wohnten die Untertanen der Burg.

Bald hinter dem Tore öffnet sich r. die Schlofsfreiheit, die ehemals nur aus privilegierten Burglehenhäusern bestand. R. das erste besafs 164349 der einst berühmte Historiograph Philipp Chemnitz; in Nr. 2 (Tafel; jetzt Gasthof) verbrachte die Königin Luise 1806 nach der Schlacht bei Jena eine Nacht. L., Nr. 5, das sogen. Prinzenhaus (angeblich wurden hier die Söhne Kaiser Karls IV. erzogen), gehörte lange Zeit der angesehenen Patrizierfamilie Krull und zeigt aufsen am Portal zwei treffliche steinerne Medaillonbilder von Mitgliedern der­selben (1536 u. 1543).

Wenige Schritte weiter gelangt man zu den ehr­würdigen Resten der *Burg.

Als Grenzwacht gegen die Wenden an einem der wichtigsten Elbübergänge gegründet, war die Burg Lieblingsaufenthalt der Askanier und ersten Hohenzollern, bis Johann Cicero das bis 1451 erbaute Schlofs in Kölln an der Spree zur ständigen Residenz erhob. Hier feierte u. a. Markgraf W aldemar 1 311 seine Hochzeit mit Agnes, Tochter der Anna von Österreich. Kaiser Karl IV., der Tangermünde zum zweiten Hauptort seiner Lande ausersehen hatte, begann sofort nach seinem Einzuge am 7. Sept. 1373 einen grofsartigen Neubau der Burg, auf der er eine prächtige Hofkapelle nach dem Muster der Wenzelkapelle auf dem Hradschin errichtete und mit vielen Reliquien ausstattete, während die Stephanskirche 1376 einem be­sonderen Domkapitel, das bis 1540 bestand, zugewiesen wurde. 1374 fand auf der Burg in glänzender Versammlung die Einverleibung der Mark in die böhm. Krone statt. Burggraf Friedrich ritt am ll. Nov. 1412 in T. ein; hier gebar ihm seine Gemahlin, ,die schöne Else*, die späteren Kurfürsten Friedrich II. (1413) und Albrecht Achilles (1434). In dem letztgenannten Jahre veranlafste er auf dem Landtage zu T. die Städte der Mark zur Anerkennung des Land­friedens*. 1513 wurde Markgraf Johann von Küstrin hier geboren. Bis in neuere Zeiten hatten mehrere Behörden ihren Sitz auf der Burg: aufser des Markgrafen Kammer, dem höchsten Appellations-

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