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stand man es früher nicht, doppelschneidig zu schärfen, wie dies der Balschem eingeführt hat, wodurch die Schnelligkeit des Schnittes die äußerste Vollendung zum Besten des geschlachteten Thieres erlangt.
Durch die prophetische Anziehungskraft und Innigkeit seines Gebetes sammelte er bald einen großen Anhang und wurde als Lehrer und Helfer aus den zahlreichen Drangsalen, denen die Judenheit damals ausgesetzt war, durch die Kraft seines Gebetes verehrt.
Was seine Sehergabe anbelangt, so ist ein Ausspruch von ihm merkwürdig, der sich in seinen zu 12^> (Bedeutungen der Gebetsprüche nach Art des R. Isaak Luria) findet (gedruckt das erste Mal im Jahre 1798). Dort heißt es:
„In seiner Hand sind die unerforschten Tiefen der Erde. Lies nicht mechqre, sondern m'chaqre." Wenn man nach dem in der talmudischen Agada beliebten Systeme anstatt mechqre liest m'chaqre, so würde es heißen: In seiner Hand sind die Forscher der Erde. Unter „Hand" sei nach der jedem Kabbalisten bekannten Wörterdeutung die letzte Sphäre zu verstehen, welche in der Geschichte in unserem Zeitalter die Führung hat. Dieselbe hat einen großen Vorsprung gegen früher. Denn vor 1000 Jahren war "NIX die geistige Atmosphäre
derart getrübt, daß der Wahn des ruvls? (der aristotelischen, von Maimonides beinahe erfolglos bekämpften Stabilitätstheorie), die Geister der Philosophen beherrscht hat. Heutzutage ist es besser; die Atmosphäre hat sich gereinigt, und es wird kein Denker mehr in den Irrthum verfallen, daß die Welt stabil und nicht neu erschaffen sei!"
Dieser Ausspruch bezeugt eine prophetische Sehergabe, denn Kant und Laplace, welche die bis auf ihre Zeit unumschränkte Herrschaft ausübende, auf das Stabilitätsprinzip aufgebaute aristotelische Philosophie durch Zerstörung dieses Prinzipes in Trümmer legten, waren zur Zeit, als dieser Ausspruch erfolgte, kaum dem Säuglingsalter entwachsen. Aber auch später in nächster Nähe der arischen Gelehrtenwelt, in Deutschland, hatten selbst so bedeutende jüdische Gelehrte, wie R. Jacob Emden, keine Ahnung von der Existenz einer modernen Wissenschaft, wie dies aus dem Gutachten des Letzteren in Schaaloth Jabez an den Studenten Günsberg hervorgeht, wo er sich seiner Kenntnisse der profanen Wissenschaft aus allerlei mittelalterlichen, kein Körnchen Wissenschaft enthaltenden Werken rühmt. Wenn Altona und London durch Jahrhundert alte Mauern gegen das fremdartige Wesen der Wissenschaft abgeschlossen waren, wie konnte der von seinen Gegnern als unwissend verschrieene Einsiedler einen Einblick in die Werkstätte der philosophischen Gedankenarbeit gewinnen? Es ist wahr, daß R. Israel mit Vorliebe die Schriften R. Saadia Gaon's las; diese aber hatten mit seiner Zeit und ihrer Geistesrichtung gar nichts zu thun. — Die Wirksamkeit des R. Israel und seines Chaßidismus soll ein Produkt seiner Zeit und zwar ein unbewußtes gewesen sein. Der scharfsinnige Journalist, dessen Feder dieser Satz entschlüpfte, hat seine Tiefe und Tragweite nicht untersucht. Man müßte die Zeit, die Art ihrer Produktion, das Wesen des Unbewußten einer psychochemischen Untersuchung unterziehen, für welche vorläufig die wissenschaftlichen Vorbedingungen noch fehlen.
Der Begriff des Unbewußten, der die modernste Philosophie und Psychologie durchzieht, verdankt ebenfalls diesem R. Israel seine Geburt. Er war der Erste, der den Lehrsatz von der Urquelle des Verstandes, dem Vor-
verstande, aufstellte, gleichzeitig mit seinem Zeitgenossen, dem Jerusalemer Rabbiner Chaim ben Atar (1696—1743), der in einem berühmten Wortspiele