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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Eine Schilderung, besonders interessant durch den Umstand, das; sie von einem der hervorragendsten polnischen Edelleute, Grafen Xader Branicki, herrührt, bietet dessen Werk Brama pokuty, Uebersekung des hebräischen Titels Schaarw t'schuba, eine zeitgenössische Chronik in hebräischer Selichothform, an die sich das polnische Elaborat anschließt. Der Verfasser rühmt darin den Heldenmuth, die Todesverachtung, die Standhaftigkeit des Martyriums und die Treue der Juden gegen einander, welche sie als die würdigen Nachkommen der Juden vom Rheine und Deutschland erscheinen läßt, die in ihrer unerschütterlichen Treue ihre südfranzösischen und spanischen Glaubensgenossen übertroffen haben.

Ungezählte Hunderttausende fielen unter dem Mordstahl der entmenschten Kosakenhorden., Was fliehen konnte, flüchtete nach Deutschland, daselbst die großen Judengemeinden gründend. Diese Verfolgungen wiederholten sich durch acht Jahre, und nach einer kurzen Pause folgten dann die Schwedenkriege, das Reich mit Feuer und Schwert, Hunger und verheerenden Krankheiten verwüstend. Die Judenheit war buchstäblich dezimirt. So zählte die erste Gemeinde der Haupt- und Königsstadt Krakau mit ihren sechs großen Synagogen und mindestens ebensovielen Beth-Midraschim zu Ende des 18, Jahrhunderts nur mehr 1950 Seelen.

Die Gesammtseelenzahl der Juden Polens und Litthauens um 1700 dürfte auf 300,000 zu schätzen sein. Wer vermag ihre Lage zu schildern? Es war wieder einmal einer jener Stürzevom hohen Giebel in die tiefe Grube," die sich in der jüdischen Geschichte so häufig wiederholen. Seit Kasimirs des Großen Zeit, der die Juden Judaei nostri viri idonei fideles (unsere Juden sind geschickte und treue Männer) nannte, waren die Juden mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraut. Der jüdische Arzt Salomon aus Krakau war Gesandter am Hofe zu Stambul und vermittelte die Wahl Stefan Batory's zum Könige von Polen. Jüdische Frauen waren Edeldamen am königlichen Hofe. Die zwei größten jüdischen Gelehrten ihrer Zeit,

R. Mose Isserles aus Krakau und R. Salomo Lurje aus Lublin, waren von der Krakauer Universität zu Doktoren honoris causa ernannt. Mit dem Zusammenbruch im Jahre 1648 brach das Ansehen der Juden zusammen. Es begann eine Periode des Hasses und der Verachtung, geschürt durch die mit der Gegenreformation eingewanderten Jesuiten, die sich die polnischen Könige mit dem Schwerte vom Leibe zu halten gewußt hatten, in richtiger Vorahnung des durch dieselben über Polen gebrachten Unterganges. Das Land zersplitterte sich in zahllose Kleinbezirke, in denen unabhängige, halb wahn­sinnige Adlige hausten, die sich mit Hilfe ihrer Leibeigenen untereinander in ständigen Fehden bekriegten. Wenn Basil Potocki nach Lemberg kam, so schoß er auf Juden, aber auch auf Mönche, zum Vergnügen, wie man auf Spatzen schießt. Bei einer Festlichkeit befahl Fürst Radziwill dem jüdischen Arendar auf einen hohen Zaun zu klettern, von wo er ihn, um seine Treffsicherheit zu zeigen, vor den Augen seiner Gäste herunterschoß. Wehe dem Dorfschänker, der seine Rate nicht pünktlich bezahlen konnte. Er wurde mit Weib und Kindern in das finsterste Burgverließ gesperrt, und wenn ihn nicht mitleidige Glaubensgenossen auslösten, war der feuchte Schloßkeller sein Familiengrab. Dazu mehrten sich in Folge der Jesuitenthätigkeit jahraus jahrein die Blutbeschuldigungen. Jede Ostern wurden an zahlreichen Orten Leich­name von Kindern wie sich nur zu oft herausstellte, und von Papst Clemens XIV in einer eigenen Bulle bestätigt, von ihren eigenen entmenschten Eltern zu dem Behufe geschlachtet, um die Juden zu verderben in den Bethäusern oder beim Rabbiner untergeschoben. In der Sedernacht überfiel man dann die Ahnungslosen, wie dies Heine im Rabbi von Bacharach anschaulich geschildert hat, und dann gab es ein lustiges Sengen und Morden, Pfählen und Viertheilen. Der Rabbiner von Krakau, Aron Tumim aus Worms, erlitt auf diese Art den Märtyrertod in Pinczów, Die Almemorbücher der Synagogen der großen polnischen Städte sind voll von