heiten des Judenthums zu regeln hatte, vielfache mit der Zeit nothwendig gewordene Anordnungen in ritueller, gerichtlicher oder sozialer Richtung erließ und, als eine sehr werthvolle Konzession der Polnischen Könige, eine autonome Oberbehörde der Judenheit darstellte, welche dieselbe nach außen vertrat und das gemeinschaftliche Band bildete, das die bei den mangelhaften Verkehrsmitteln in sehr losem Zusammenhänge stehenden Einzelgemeinden zu einem Art Staatswesen vereinigte.
Große Privatprozesse, Streitigkeiten der Gemeinden untereinander oder mit Rabbinern wurden vor dieser höchsten Instanz ausgetragen. Approbationen und Licenzen für neue Werke ertheilt. Der Gründer dieser für die Judenheit so äußerst wichtigen Institution war, soweit darüber Daten vorliegen, der Schüler des R. Mordechai Jaffe um 1580. Eine alte Notiz schildert den groß
artigen Eindruck, welchen der Anblick der ehrwürdigsten Häupter der gelehrten Judenheit auf das bei solchen Versammlungen zusammenströmende Volk machte, an den alten Glanz der (Kalla) genannten Versammlungen in Babylonien zur Zeit des Talmud und der Gaonim erinnernd. Der Toleranz der aufgeklärten polnischen Könige, welche auch R. Mose Isserles in seinen Responsen mit dankbarer Anerkennung hervorhebt, war diese im Mittelälter einzig dastehende Gewährung eines freien Self-Government zu verdanken. Unter diesem Schutze blühte das Thorastudium wie nie zuvor, und so bewundernswerth war diese Toleranz, daß während das Tridentiner Konzil 1554 den Talmud und alle jüdischen Schriften in ganz Europa dem Schaffot überantwortet hatte, die polnischen Könige die Beschlüsse desselben nicht nur ignorirten, sondern ihre Einwilligung dazu gaben, daß der Talmud während des Zeitraumes vom Jahre 1554 bis 1648, also in 94 Jahren, siebenmal in Krakau, Lublin und anderen polnischen Druckstätten in Druck gelegt werden durfte.
Als nach der Katastrophe von 1648 die Lage der Juden eine so unglückliche Wendung genommen, der Klerikalismus auch in Polen seine Orgien feierte, sank auch diese Synode zu einem Schattenbilde herab. Nur daraus ist es erklärlich, daß R. Jacob Emden gegen diese Behörde so wüthende Angriffe richten konnte, welche auf Seite seines Gegners N. Jonathan Eibenschitz stand. Seine Angriffe hatten auch praktischen Erfolg. Einer seiner Anhänger Baruch Javan, mit dem Familiennamen Sternberg, aus Krakau war Faktor des Grafen Brühl, Ministers am Hofe August III., des äußerst judenfeindlichen Sachsenkönigs auf dem polnischen Throne in Warschau. Da Emden gegen die Synode nichts ausrichten konnte, setzte er, selbstverständlich seitens Brühl's volles Entgegenkommen findend, ein Auflösungsdekret durch. So verschwand dieser letzte Rest der alten Autonomie im Jahre 1724 von der Bildfläche. R. Jacob Emden hat damit, soweit seine Hand im Spiele war, ohne es zu ahnen und zu wollen, der Entwickelung des Chaßidismus den größten Vorschub geleistet. Denn während die Bannstrahlen, welche einzelne Gemeinden wie Krakau und Wilna gegen diese neue Organisation schleuderten, wirkungslos verhallten und unbeachtet blieben, hätte eine Aktion dieser Oberbehörde hingereicht, um die neue Bewegung im Keime zu ersticken.
Die Scheinautonomie, welche den Händen einer Schattenbehörde entglitten, wurde von innen heraus durch Schaffung einer geradezu nationalen Organisation auf breiter Basis aller Volksklassen ersetzt, den Einflüssen aller fremden Behörden und Kultusbeamten der Gemeinden entzogen, unter freier Wahl unabhängiger Führer, denen die Erbaltung der religiösen Institutionen und die Abwehr der zersetzenden Einflüsse des Westens bis auf den heutigen Tag gelungen ist. —