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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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aus Krakau, R. Abe Chossid, R. Jakob Backofen aus Rzeszow, Pne Josua aus Krakau, R. Pinchas Horowitz, der Chassid aus Czortkow. Und so verhielt es sich mit Berlin, Breslau, Fürth, Amsterdam, London, Metz. An diese Hochschulen strömten dann die wißbegierigen Jünger aus Polen, wo für sie nichts zu holen war.

Nun war das ältere Uebel noch das kleinere. Denn die ersten Usurpatoren der Rabbinatsgewalt gaben wenigstens Geld her und hatten so die bestochenen Kultusvorsteher in einem Abhängigkeitsverhältniß, während in der Zeit, von welcher die Rede ist, der Protektionsrabbiner als Nepote ein willenloses Werkzeug in den Händen des Kultusvorstehers war. Zu welchen Konsequenzen diese Ab­hängigkeit der mit so großem Einflüsse ausgestatteten, richterliche und polizeiliche Gewalt in Händen habenden Rabbiner führen konnte, das beweisen die Erfolge der Reform, welche sich der altmodischen, unbeugsamen Rabbiner im Westen ent­ledigte und vermittelst gefügiger Werkzeuge nach und nach die Aufhebung fast aller 613 Gebote und der ganzen rabbinischen Gesetzgebung, mit Aufhebung des Sabbats, Einführung der Mischehen bis zur Aufhebung der Beschneidung und Einführung der Sonntagsfeier dekretiren konnte.

Das jüdische Rabbinat, dessen ethische, moralische und religiöse Hoheit durch Jahrtausende den grimmigsten Gegnern Achtung eingeflößt hatte, zeigte zu dieser Zeit höchst bedenkliche Vorboten des Verfalles. Der Skandalprozeß, welchen der berühmte Rabbiner Ezechiel Landau aus Jampole, in Brody gegen die Rabbinerin Halberstamm ausfocht, bietet ein in der ganzen jüdischen Geschichte unerhörtes Bild einer Sittenverderbniß, wie sie nur aus der so unbeschreiblich schmutzigen französischen Sittenfäulniß der damaligen Zeit durch polnische Edel­leute und den berüchtigten sächsisch-polnischen Hof eingeführt werden konnte. Ihr Ehemann verdankte seine Stelle seinem Reichthum, seinen silbernen Bade­wannen. Er beherbergte einmal einen großen Fürsten in seinem Hause und bekam dafür das Rabbinat. Das Urtheil des großen Gelehrten Landau wurde zwar, von einer anderen Instanz, dem ebenso berühmten R. Isaak Bechar David, Chacham-Baschi von Konstantinopel, durch Anfechtung der Glaubwürdigkeit der Zeugen aus juristischen Formgründen widerlegt. Daß aber überhaupt eine solche Affaire auftauchen konnte, das beweist den unheilbaren Riß, den die Autorität des Rabbiners erhalten hatte. Brody war nicht vereinzelt. In Lithauen hatten sich mehrere Städte vereinigt, die Rabbinatswürde gänzlich abzuschaffen. In einigen ging die Bewegung von einer geheimen Freidenkervereinigung aus, von welcher Salomon Maimun ein Ableger war. So in Minsk, wo man einen der größten Gelehrten aller Zeiten, R. Löb, Verfasser des N'NX so maltraitirte, daß er gezwungen war, auf einem Düngerwagen aus der Stadt zu flüchten. Hier war es die Unbeugsamkeit eines tadellosen Charakters und weit überlegenen Geistes, welcher der Anmaßung und brutalen Gewalt weichen mußte. Es war überhaupt schwer für den vereinzelt dastehenden Gelehrten, sich in einer Umgebung Geltung zu verschaffen, in welcher es Wasserträger und Handwerker gab', die den Talmud auswendig kannten, in welcher der gewöhnliche Bürger mindestens zwölf Stunden von Tag und Nacht dem Talmudstudium opferte, und weder für rituelle Funktionen noch für Erledigung von Gesetzessorgen einer Autorität bedurfte. Dieser originelle Geist, dem der landesübliche Pilpul gar nichts galt, der mit Umgehung aller Späteren alle Entscheidungen nur direkt aus dem Talmud gelten lassen wollte, gerieth dadurch mit allen Parteien in Widerspruch. Arm und verstoßen, wanderte er in einem groben Leinwandkittel bi s Lemberg und mischte si ch be i einer Festlichkeit unter die Schnorrer, die am unteren Ende des Tisches bewirthet wurden. Den Vorsitz führte der Landes-