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als Talmudisten von Beruf hervorgetreten sind, ebensowenig wie zur Zeit der Mischnalehrer Choni Hameagel (G raetz übersetzt „Kreisdreher" wegen der berühmte Sprachforscher weiß nicht, daß Meagel „Dachdecker" bedeutet, das Handwerk Choni's) oder R. Chanina ben Dosa, von dem wir in der Mischnah nur 2 Aussprüche finden, von denen der eine sich auf die Wunderkraft des Gebetes, der andere auf Gottesfurcht bezieht. Oder von den Amoraim (Talmudlehrern) R. Ketina, R. Simon Chasida, R. Beroka und viele Andere. Oder wie später R. Salomo ibn Gabirol, R. Jehuda Halevi, und die Verfasser der Piutim R. Benjainin bar Samuel, Tob Alam, R. Josef bar Kalonymos und Andere.
Cheder- und Talmudstu d iu m.
Es giebt keine Institution, die verachteter und verhaßter wäre, als das Cheder, und doch hat dasselbe mehr Justizminister, Universitätsprofessoren, Mathe- mathiker, Schachmatadore, Gelehrte aller Arten hervorgebracht, als manche deutsche Universität. Zur Zeit, als die Assimilation im Schwunge war und man die jüdischen Ueberläufer hätschelte, schüttete Varnhagen von Ense in einem Brief an Humboldt sein Herz in folgenden Worten aus: „Ich bewundere den geistigen Reichthum dieses Volkes, das uns seit zwei Jahrtausenden bis auf Spinoza und die Jetztzeit in Tausenden von Renegaten und Halbrenegaten alljährlich die besten Kräfte liefert, die es von sich abstößt, ohne daß sein eigener Bestand dadurch ärmer wird." Nun hat, wie Hiob sagt, das Edelmetall seinen Schacht, wo ist der Schacht der Geistesschätze? Crémieux, der die kleinen Judenknaben in den dunklen Schächten des Cheder von Angesicht zu Angesicht kennen lernte, er, der nüchterne französische Rationalist, ließ sich zu dem begeisterten Ausspruche hinreißen: „In dem Auge des polnischen Judenknaben leuchtet der Glanz des den Sinai verlassenden Moses wieder".
Die uralte Pädagogik des Judenthums ist eine höchst eigenthümliche, fremdartige, aber bei aller Verachtung, die sie mit dem Talmud und der Judenheit überhaupt brüderlich theilt, ist sie die Quelle jener „unheimlichen geistigen Ueberlegenheit", von der die Antisemiten in unbewachten Momenten, wenn sie aus der Rolle des Todtschweigens fallen, so viel Aufhebens machen. Und als der französische Unterrichtsminister Jules Ferry die enormen Mängel der modernen Unterrichtsmethode geißelte und in Anlehnung an das Bell- Lancaster'sche System eine ganz neue empfahl, da entwickelte er, ohne es zu ahnen, Z ug für Zug die Methode des Talmud-Cheder. Wenn man nun mit einem
sechsjährigen Knaben anfängt zu lernen NX NNj? 2NtN „Gold
ist Währung, Silber ist Wa are" u nd damit in die Tiefen eines der verwickelsten
modernen Probleme des Bimetallismus, hinabfährt, so hat diese Methode in
jüdischen Gelehrtenkreisen bereits vor 300 Jahren Anfechtung gefunden, mit Berufung auf die talmudische Regel: Zu fünf Jahren zum Schriftstudium
(Mikra), zu zehn Jahren zum Mischnastudium, zu fünfzehn Jahren erst zum Talmudstudium.
Eine unserer größten Autoritäten auf dem Gebiete der Jurisprudenz, vulgo der „Schach" (Z" 2 >) genannt, R. Sabbatai hakohen (geb. 1622), hat sich jedoch für Beibehaltung der üblichen Methode entschieden, weil unter den gegebenen sozialen Verhältnissen nur so das Gesetzesstudium lebendig erhalten werden kann. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr". So wie erst der moderne Militärstaat das Turnen und Exerziren in das Kindesalter eingeführt hat, so ist es in der Turnschule des Geistes zu halten. Die Psychologen vergangener Jahrzehnte waren der irrigen Ansicht, daß die Masse des Gehirns